«Proteine stärken unsere Muskeln nachhaltig »

Herr Kressig, Sie arbeiten in einem spezialisierten Spital für Akute Altersmedizin, Alterspsychiatrie und Rehabilitation. Zusammen mit Betty Bossi lancierte die Felix Platter-Stiftung unlängst eine Zeitschrift mit proteinreichen Rezepten. Planen Sie einen Branchenwechsel?

Nein, keineswegs. Die Felix Platter-Stiftung setzt sich seit 2019 dafür ein, die Gesundheit von Menschen im Alter mit gezielten Massnahmen zu erhalten und zu fördern. Die Zeitschrift «gesund & stark» entspricht diesem Auftrag – von der ersten bis zur letzten Seite.

Inwiefern?
Das Ernährungsbedürfnis älterer Menschen unterscheidet sich deutlich von jenem jüngerer Erwachsener. Ab 50 sollten sie idealerweise die Kalorienmenge reduzieren und im Gegenzug eine proteinreichere Küche präferieren. Denn unsere Muskeln sind nach 50 dringlich auf eine Extra-Portion Eiweiss angewiesen.

Was passiert, wenn wir weiteressen wie in jungen Jahren?
Dann nehmen wir höchstwahrscheinlich zu, obwohl unsere Muskelmasse kleiner wird. Beeindruckend: Zwischen 30 und 80 geht uns rund ein Drittel davon verloren. Ab 50 beschleunigt sich dieser Prozess zusätzlich, Proteine können jedoch diesen Abbau merklich verlangsamen. Das ist wissenschaftlich erwiesen: Der ältere Muskel braucht mehr Proteine, will er seine Kraft und Masse erhalten.

Servieren Sie entsprechende Menüs auch in Ihrem Spital?
Durchaus, und wir machen damit nur gute Erfahrungen. Mit speziellen Proteindrinks lassen sich Muskeln sogar wieder aufbauen, selbst wenn Menschen bettlägerig oder inaktiv sind. Das brachte uns auf die Idee, mit einem Fachpartner eine Zeitschrift aufzulegen, die sich der proteinreichen Küche widmet – mit wichtigen Fakten und schmackhaften Menüs. Dafür haben wir uns eine kompetente Partnerin zur Seite geholt, Betty Bossi. Das Unternehmen bringt sein kulinarisches Know-how in die Partnerschaft ein, wir wissenschaftliches Wissen.

Dann können wir künftig auf Bewegung verzichten, um unsere Fitness zu erhalten?
Nein. Richtige Ernährung und genügend Bewegung gehören noch immer zwingend zueinander. Aber: Muskeln werden besonders gut stimuliert, wenn jede Hauptmahlzeit 25 Gramm Proteine enthält. Dadurch lässt sich der Muskelverslust um die Hälfte reduzieren.

Welche Lebensmittel kommen dafür in Frage: reichlich Fleisch?
Nicht zwingend. Es gibt viele Alternativen dazu. Eier beispielsweise sind tolle Proteinquellen, und Nüsse sind sogar proteindichter als Fleisch. Darüber hinaus bieten sich all die Hülsenfrüchte an, Linsen und Erbsen. Auch die vielen Milchprodukte sind ideal. Sie sehen: Die Palette ist riesig.

Vernunft bewirkt oft kulinarische Langeweile. Bleibt in Ihren Rezepten Genuss und Freude am Essen auf der Strecke?
Wir beweisen das Gegenteil. Denn Genuss und Freude am Essen sind wichtig – auch bei gesunder Ernährung. Überdies sind unsere Rezepte einfach zuzubereiten. Sie punkten also gleich auf mehreren Ebenen – und überzeugen überdies auch jüngere Menschen. Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Spitals kochen sie freudig nach.

Riskiert man etwelche Versorgungslücken, richtet man die Kost konsequent auf Proteine aus?
Nein. Wir schliessen wenige Lebensmittel aus, stellen diese aber neu zusammen. Obst, Gemüse und vieles andere sind höchstwillkommen. Die «Zeitlupe» wird künftig ebenfalls proteinreiche Menüs ins Blatt rücken. Die Leserinnen und Leser dürfen sich darauf freuen.

Befolgen Sie die Tipps, die Sie in der Zeitschrift proklamieren, auch selbst?
Durchaus. Ich bin mittlerweile ebenfalls über 60 und kann dank dieser Ernährungsweise mein Gewicht halten. Darüber hinaus bin ich aber auch ein Genussmensch, der das Essen zelebriert. Das ist auch dann möglich, wenn man etwas weniger Kohlenhydrate und mehr Proteine isst. Das beweisen unsere Rezepte deutlich.

Welches ist Ihr Lieblingsrezept?
Die Omeletten mit Erbsli mag ich sehr. Mein persönlicher Favorit aber ist: die Currysuppe mit Krevetten. Die Suppe schmeckt nicht nur prima, sie sieht auch hübsch aus. Beides ist in meinem Sinn.