Das Erkältungsmittel gibt es neuerdings in der Drogerie und für den Heuschnupfenspray braucht man ab sofort ein Rezept. Was bei den Abgabekategorien von Pillen, Pulvern und Pflastern geändert hat.
Arzneimittel werden in der Schweiz gemäss Heilmittelgesetz HMG bestimmten Listen zugeteilt, je nachdem, ob sie verschreibungspflichtig sind oder nicht und ob sie ausser in Apotheken auch in Drogerien und im Detailhandel verkauft werden dürfen. Dieses Heilmittelgesetz wurde vom Gesetzgeber angepasst, seit Anfang Jahr gelten laut Schweizerischem Heilmittelinstitut Swissmedic neue Kategorien. Was die Rochade in der Medikamentenlandschaft für Patientinnen und Patienten bedeutet, haben Sie beim Bezug Ihrer gewohnten Mittel vielleicht schon erfahren: Die einen Mittel sind einfacher zu bekommen, bei anderen ist der Bezug erschwert. Ausser der kranken Kundschaft sind vor allem die Apothekerinnen und Apotheker vom Kategorienwechsel betroffen und nicht nur erfreut, dass ihre «Kompetenzen erweitert» wurden.
Welche Kategorien gibt es?
Seit dem 1. 1. 2019 werden Medikamente in der Schweiz in vier Kategorien eingeteilt: A, B, D und E. Die Kategorie C wurde aufgehoben, deren rund 650 Produkte umgeteilt in Kategorie B und D.
- In der Kategorie A befinden sich weiterhin Medikamente, die einmal für eine kurzfristige Therapie verschrieben werden. Patienten erhalten sie in der Arztpraxis, sofern diese für die Selbstdispensation zugelassen ist, oder in der Apotheke. Beispiel: Antibiotika.
- In der Kategorie B sind Arzneimittel zugelassen, die wie bisher nur in Praxis oder Apotheke abgegeben werden durften, wenn eine ärztliche Verschreibung vorlag. Neu können Apothekerinnen und Apotheker auch ohne ärztliches Rezept Medikamente abgeben, wenn diese vorher in der nicht verschreibungspflichtigen Kategorie C eingestuft waren. Ausserdem Medikamente zur Weiterführung einer Dauertherapie. Beispiel: gewisse Schmerzmittel, Blutdruckmittel.
- In der Kategorie D sind nicht verschreibungspflichtige Präparate zu finden. Patienten können diese in der Apotheke oder Drogerie auf eigene Kosten kaufen, nach vorgängiger Beratung durch das Fachpersonal. Beispiel: pflanzliche Arzneimittel, gewisse Schmerzmittel.
- Die Kategorie E umfasst die Gesundheit betreffende Produkte, die ohne Fachberatung frei verkäuflich sind und daher auch vom Detailhandel vertrieben werden. Die Liste wächst ständig. Beispiel: Desinfektionsmittel, Tee oder Bronchialpastillen.
Wohin geht die Kategorie C?
Besonders die «Hochstufung» von ehemaligen Liste-C-Mitteln in die Liste B gibt in der Branche zu reden. Laut der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz VIPS ergeben sich durch die Umteilung Nachteile für die Patientinnen und Patienten: So dürfe ein Teil der gängigen Erkältungsmedikamente nur noch bei der Apothekerin oder dem Apotheker persönlich abgeholt werden, auch wenn man bereits erkrankt ist. Wenn Ohrentropfen oder Einreibemittel jetzt rezeptpflichtig seien, dann würden die Leute diese beim Arzt holen, statt in der Apotheke einen Fragebogen ausfüllen zu müssen. Dieser Umstand könne dazu führen, dass mehr Menschen wegen einer Erkältung zum Arzt gehen. Etwa die Hälfte der hochgestuften Medikamente werde teurer, was das Gesundheitssystem ebenfalls belaste.
Mit der erleichterten Abgabe gewisser verschreibungspflichtiger Medikamente durch Apothekerinnen und Apotheker will man deren Kompetenzen als Grundversorger stärken. Das Ganze hat aber einen Haken: Die Pharmazeuten müssen aus Sicherheitsgründen die Daten der Patienten erfassen, um eventuellem Missbrauch gewisser Substanzen vorzubeugen. Durch diese Dokumentationspflicht in der Apotheke entsteht pro Packung ein Mehraufwand von fünf bis zehn Minuten. Auch das ist mit Kosten verbunden, die bezahlt sein wollen.
Der grösste Teil, zwischen 80 und 90 Prozent, der nicht verschreibungspflichtigen Arzneien aus der Apotheke wurden abgestuft in Liste D und sind deshalb neu auch in Drogerien erhältlich. Für die Patienten hat das Vorteile: Sie können das benötigte Produkt an mehreren Orten kaufen. Auch die Drogisten freut es. «Das Feld ist breiter geworden, Drogerien sind die Gewinner», hiess es am jährlichen Kongress der Pharmabranche, wo die veränderten Abgabekategorien heiss diskutiert wurden.
Selbstbedienung mit Grenzen
Die Arzneimittel der Abgabekategorie E werden ohne Fachberatung in der Selbstbedienung verkauft. Die Idee dahinter: die Fähigkeit zur Selbstmedikation der Patientinnen und Patienten bei leichteren Beschwerden zu fördern. Doch können diese ihre Krankheitssymptome wirklich beurteilen und entscheiden, ob ein Arzneimittel passend ist oder nicht? Das fragten sich Fachexperten und begutachteten 540 Präparate aus der Liste D, die für die Kategorie E (Selbstbedienung) vorgesehen waren. Sie befanden: Die Patientensicherheit schränkt Therapiegebiete ein. Nur etwa 17 Prozent wurden schliesslich als für die Selbstbedienung geeignet erklärt. Das letzte Wort in Sachen Abgabekategorien scheint noch nicht gesprochen. Die Rochade bei den Medikamentenkategorien geht also weiter.