Gürtelrose ist äusserst schmerzhaft – und plagt manche Betroffene über Monate und Jahre. Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt deshalb älteren Menschen eine Impfung. Doch das zugelassene Präparat schwächelt.
Text: Roland Grüter
Wie lassen sich die Schmerzen des Herpes Zoster beschreiben? Der 69-Jährige, der im Zürcher Café Schober sitzt, überlegt lange, schliesslich ist es ein Jahrzehnt her, als bei ihm die Gürtelrose ausbrach. Damals war er körperlich angeschlagen, stand unter Stress. Eines Abends bemerkte er Rötungen auf der Haut, gleich neben dem Bauchnabel. Sie zogen sich halbseitig wie ein Band um seine Hüfte. Erst verspürte er ein Jucken, daraufhin ein heftiges Brennen, die Haut warf die ersten Bläschen auf. «Irgendwann kamen die Höllenschmerzen», sagt der Mann und legt sein Gesicht in Falten, als müsse er den damaligen Horror ein zweites Mal durchleiden: «Sie fühlten sich an, als sei ich aus zwei Meter Höhe ungebremst in einen Haufen Nähnadeln gefallen.»
Angriff auf die Nervenzellen
Die Schmerzen sind erklärbar. Varizella-Zoster-Viren, die hinter der Gürtelrose wirken, ramponieren hauptsächlich Nervenzellen. Diese schlummern jahrelang in unserem Körper, ohne dass wir sie bemerken. 99 Prozent aller Erwachsenen sind Träger, mit dem Virus kommen die meisten schon in frühen Lebensjahren in Kontakt: Varizella-Zoster-Viren bewirken bei ihrem Erstkontakt Windpocken. Wer diese erlitten und überwunden hat, ist gegen die Viren erst mal immunisiert. Sie quartieren sich in der Folge in Nervenzellen von Rückenmark und Hirnstamm ein, unsere körpereigenen Abwehrkräfte halten sie dort gefangen.
Stress, Immunschwächen aller Arten, chronische Krankheiten und altersbedingte Gebresten können den stillen Gast jedoch zu neuem Leben erwecken. Daraufhin verbreitet er sich im Körper und befällt Teile des Gesichts und des Rumpfs, in zehn Prozent der verzeichneten Fälle sogar die Augen. Typisches Merkmal seines Befalls sind flüssigkeitsgefüllte Bläschen auf der Haut, die sich nach wenigen Tagen leeren, austrocknen und verkrusten – und die beschriebenen starken Schmerzen. Meist dauert der Krankheitsverlauf zwei bis drei Wochen.
Medikamentös lässt sich das Wirken der Viren etwas mindern, lassen sich die Schmerzen etwas lindern. Bei rund 20 Prozent der 65-jährigen Betroffenen treten in der Folge trotzdem chronische Nervenschmerzen auf, eine sogenannte postherpetische Neuralgie. Diese kann sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Bei über 70-Jährigen sind es sogar 73 Prozent. Gürtelrose ist weiter verbreitet als angenommen.
Gemäss Studien erkrankt jede und jeder Vierte im Laufe des Lebens an Herpes Zoster. Jährlich listen Spitäler und Ärzte rund 21 400 Konsultationen auf. Etwas mehr als die Hälfte davon werden Menschen über 65 zugeschrieben. Generell gilt: Im letzten Altersabschnitt nimmt das Risiko einer Erkrankung zu. Mit Blick auf die drohenden Komplikationen empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit seit November 2017 Menschen zwischen 65 und 79, sich gegen Herpes Zoster impfen zu lassen – unter anderem, wenn sie vor kräftezehrenden Operationen oder Therapien stehen, etwa bei Krebs. Der empfohlene Lebendimpfstoff gegen Gürtelrose ähnelt jenem der Pockenimpfung, ist aber weit höher dosiert. Weltweit wurden davon schon 30 Millionen Dosen verkauft. Das entsprechende Präparat ist seit 2007 zugelassen, die Kosten (ab 160 Franken) dafür übernehmen Krankenkassen nur durch die Zusatzversicherung. Wer keine hat, muss die Impfung selber bezahlen.
Je älter, desto schlechter der Schutz
Die Krux: Gemäss neusten Studien wirkt das Mittel weniger als ursprünglich angenommen. Es erreicht bei 50- bis 59-Jährigen eine Schutzwirkung von knapp 70 Prozent, bei über 70-Jährigen aber nur noch 37,6 Prozent. Die Wirkkraft nimmt offenbar ab, je stärker das altersbedingte Risiko für Komplikationen wächst. Die Hoffnungen ruhen auf einem zweiten Impfstoff, der in Deutschland und in anderen Ländern bereits erhältlich ist. Dessen Schutzraten sollen weit höher sein. Anders als der Lebendimpfstoff basiert dieser auf einem Anti-Gen des Varizella-Zoster-Virus. Er soll die Anfälligkeit auf Herpes Zoster um 90 bis 97 Prozent mindern, jene der postherpetischen Neuralgie um 89 Prozent. Leider zeigt das Mittel auch grössere Nebenwirkungen: Bei 80 Prozent der Geimpften treten lokale Reaktionen (Schwellungen, Schmerzen und Rötungen) auf. 66,1 Prozent berichten über Müdigkeit, Fieber oder Kopfschmerzen.
In der Schweiz ist dieser Impfstoff noch nicht zugelassen, und es dürfte noch Jahre dauern, bis sich das ändert. Keine guten Nachrichten. Bis potente und verträgliche Mittel im Handel erhältlich sind, bleibt uns folglich nur: Vorsorge betreiben. Wir sind gut beraten, unser Immunsystem zu stärken, viel zu schlafen, uns nicht ständig stressen zu lassen und uns ausgewogen zu ernähren – damit unser Immunsystem fit bleibt und die Varizella-Zoster-Viren im Zaum halten kann. Methoden der Alternativmedizin können uns dabei unterstützen, der Rest aber ist Hoffnung. Die Hoffnung, dass wir von Herpes Zoster verschont bleiben.
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