Die Wohnungen älterer Menschen sind häufig falsch oder ungenügend ausgeleuchtet. Das beeinträchtigt nicht nur deren Sehvermögen, sondern bringt sie auch in Sturzgefahr.
Text: Roland Grüter
Die Zahlen sind erschreckend. Rund 1600 Menschen sterben jährlich in der Schweiz an den Folgen eines Sturzes. Fast zwei Drittel der Unfälle passieren ebenerdig. Ein Stuhlbein, ein herumliegendes Kabel, ein loser Teppichrand: Die Stolperfallen sind meist banal. Gemäss Studien sind ältere Menschen besonders sturzgefährdet. Fachleute schätzen, dass jede dritte Person über 60 mindestens einmal pro Jahr hinfällt. Bei 80- bis 89-Jährigen liegt der Anteil bei 45 Prozent, bei über 90-Jährigen sogar bei 56 Prozent.
Viele dieser Unfälle sind auf das schwindende Sehvermögen zurückzuführen. Denn so wie der Gleichgewichtssinn und das Reaktionsvermögen nimmt im Alter auch die Sehkraft ab, was nicht immer nur an schwächelnden Muskeln und eingetrübten Linsen liegt. Auch die Pupillen werden kleiner, entsprechend lassen sie weniger Licht passieren. Die Folgen: Die Menschen können bei diffusem Licht viele Dinge nicht mehr klar erkennen oder werden schneller geblendet. Überdies brauchen ihre Augen länger, um sich an unterschiedliche Lichtverhältnisse anzupassen.
Dass solche Einschränkungen auf mangelndes Licht zurückzuführen sind, kommt den Betroffenen meist erst gar nicht in den Sinn – und nehmen diese gottgegeben hin, zweifeln an ihrer Korrekturbrille. «Die Anpassung des Lichtes ist aber der einfachste und effizienteste Schritt, die Sehschärfe, die Kontrastwahrnehmung, die Lesegeschwindigkeit und das psychische Wohlbefinden zu verbessern», schreibt der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen in einem ihrer Merkblätter.
Experten gehen davon aus, dass der Lichtbedarf im Alter doppelt so hoch ist wie in der Jugend – und raten Älteren dazu, ihre Wohnräume entsprechend aufzurüsten. Umgesetzt wird dieser Tipp aber nur zögerlich. «Dann staunen die Menschen, wenn sie auf dem Sofa nicht mehr lesen können oder das Schnippeln des Gemüses mehr Mühe bereitet, weil die Lampe am falschen Ort hängt», sagt Optikerin Stephanie Escher. Sie berät im Auftrag des Schweizerischen Blindenbundes jährlich rund hundert Personen mit Sehproblemen, darunter viele ältere.
Sich nicht blenden lassen
Der Blindenbund betreibt schweizweit sieben Beratungsstellen mit integriertem Low-Vision-Fachbereich. Ähnlich wie beim Optiker klären hier die Expertinnen und Experten die Sehkraft und allfällige Krankheiten ab, die dahinter wirken. Danach wird analysiert, in welchen Lebenslagen sich die Einschränkungen besonders stark zeigen und welche Anpassungen möglich sind. «Oft lassen sich Probleme lösen, indem sich die Menschen eine taugliche Leuchte kaufen», sagt Stephanie Escher. Ein paar davon stehen in ihrer Beratungsstelle – damit sie den Ratsuchenden den Effekt des Lichtes direkt vor Augen führen kann. Die Beratungsgespräche sind kostenlos und werden durch Spenden und Zuschüsse des Bundesamtes für Sozialversicherung finanziert.
Was also tun, um Licht in die Düsternis zu tragen? Generell gilt: Die Wohnungen älterer Menschen sollten stärker und gleichmässig ausgeleuchtet werden. Grosse Lichtunterschiede in den verschiedenen Räumen sind zu vermeiden, weil auch das Adaptationsvermögen der Augen abnimmt. Die Wände und Decken sollten weiss gepinselt, die Möbel hell sein und matte Oberflächen aufweisen: Sonst droht Blendungsgefahr. Für die Grundbeleuchtung empfiehlt sich indirektes Licht, an Arbeits- und Leseplätzen direktes, blendfreies Licht. «Oft hilft auch, wenn Betroffene ihre Gewohnheiten ändern», sagt Stephanie Escher. «Wer sich beispielsweise fürs Lesen seitwärts statt frontal vor ein Fenster setzt, wird weniger schnell geblendet. Und im Bad ist es hilfreich, wenn das Licht von der Seite und nicht frontal aus der Leuchte des Spiegelschrankes fällt.» Die Low-Vision-Fachfrau weiss nur allzu gut: Wer die Beleuchtung optimiert, verbessert damit die eigene Selbstständigkeit und verringert gleichzeitig die Unfallgefahr. Da sollte vielen ein Licht aufgehen.
Mehr Infos zum Thema und die Kontakte der Low-Vision-Beratungsstellen finden Sie auf blind.ch
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