In Basel wurde vor kurzem ein Spital in Betrieb genommen, das sich umfassend um alte Menschen kümmert und anderen Einrichtungen zum Massstab werden könnte: die Universitäre Altersmedizin Felix Platter.
Text: Roland Grüter
In der Schweiz leben rund 1,52 Millionen Menschen, die 65 Jahre oder älter sind – vor gut hundert Jahren waren es erst 191 593. Auf diese Altersgruppe richtet sich die Medizin landesweit aus, denn ältere Menschen beanspruchen öfter und vor allem andere medizinische Massnahmen. «Es ist unbefriedigend, wenn wir eine akute Entzündung kurieren, die Menschen danach aber nicht in ihr altes Leben zurückkehren können, weil ihnen dazu die Kraft fehlt», sagt Reto W. Kressig, Ärztlicher Direktor Universitäre Altersmedizin Felix Platter und Klinischer Professor für Geriatrie Universität Basel: «Ältere sind oft von mehreren Krankheiten betroffen. Wollen wir ihre Selbstständigkeit bewahren, müssen wir ihnen eine umfassende Betreuung bieten.» Er hält stolz fest: «Unter unserem Dach machen wir das bereits.»
Ein Vorbild für andere Spitäler
Tatsächlich ist das Basler Spital, das von Reto W. Kressig geleitet wird, einzigartig. Die Verantwortlichen sehen die Institution gar als Leuchtturmprojekt, als Vorbild für andere Institutionen. Besitzer ist der Kanton Basel-Stadt. Im Jahre 1890 wurde im heutigen Westfeld-Quartier das alte Felix-Platter-Spital errichtet, doch dieses genügte den Auflagen der Moderne immer weniger, bis die Feuerpolizei den roten Knopf drückte – ein Neubau musste her. Dieser wurde in nur sechs Jahren geplant und gebaut, im April 2019 erfolgte die Betriebsaufnahme. 280 Betten stehen darin für akut kranke Alterspatienten bereit, 5000 Menschen werden jährlich von über 800 Mitarbeitenden betreut.
Vieles ist neu, der Name ist geblieben: Felix Platter war ein berühmter Basler Arzt und Pathologe, der im 16. Jahrhundert die Medizin in der Stadt stark vorantrieb. Die Einrichtung ist noch immer eng mit der Wissenschaft verknüpft, Reto W. Kressig selber forscht schon seit Jahren im Mobilitäts- und Ernährungsbereich alter Menschen – und lässt Erkenntnisse direkt in die Arbeit einfliessen.
Was also unterscheidet die Einrichtung von anderen? Die Verantwortlichen führen darin verschiedene Instanzen der Altersmedizin zusammen, etwa Akutgeriatrie, Rehabilitation und Alterspsychiatrie: In der Altersgruppe «65 plus» finden sich immer wieder Demenzkranke oder Menschen mit anderen Hirnleistungsstörungen, mit deren Ansprüchen andere Akutspitäler oft überfordert sind. Für diese Patienten wurde eine geschützte Station mit 36 Betten eingerichtet.
Darüber hinaus bündelt sie Prävention und Frühdiagnostik mit der Behandlung akuter Krankheiten. «Wir arbeiten interdisziplinär und interprofessionell», sagt Reto W. Kressig: «Denn die Qualität der Betreuung zeigt sich vor allem an den Schnittstellen. Wir heben diese möglichst auf.»
Kommen Patientinnen und Patienten nach einer akuten Erkrankung, etwa nach einer Operation, in die Universitäre Altersmedizin Felix Platter, wird auch dort als Erstes die akute Erkrankung behandelt – parallel dazu laufen am Krankenbett diverse Massnahmen an, um die Kräfte der Betroffenen aufzubauen oder zumindest zu erhalten. Das Therapieprogramm wird auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt und beinhaltet beispielsweise Physio- und Ergotherapie als auch Logopädie.
Zeitgleich denken die Mitarbeitenden des Sozialdienstes über Massnahmen nach der Entlassung nach: Wo erhalten Angehörige Unterstützung, falls doch Hilfe notwendig ist? Selbst das Essen aus der Spitalküche ist Teil des Therapien-Mixes: Sie kocht vor allem proteinhaltige Speisen, weil die Forschung weiss, dass diese dem Aufbau alter Muskeln dienlich sind.
Haus heilt mit
Das zugehörige Mobility Center analysiert mit modernsten Technologien den Gang und das Sturzrisiko. Gang-Unregelmässigkeiten können auf nachlassende Muskelkraft und kognitive Störungen hindeuten. Besteht bei Betroffenen der Verdacht auf Hirnleistungsstörungen, so werden sie in der Memory Clinic untersucht.
In der Akutgeriatrie bleiben die Menschen rund zwei Wochen im Spital. Gilt es, Therapien nach der Entlassung fortzusetzen, kommen ambulante Leistungen u.a. in der Tagesklinik zum Tragen. «Rund 90 Prozent unserer Patienten können nach ihrer Erkrankung wieder selbstständig leben», sagt Reto W. Kressig: «Diese Zahl zeigt, wie sehr sich eine umfassende Betreuung lohnt.»
Selbst die Architektur des Neubaus ist Teil des Therapieprogramms. In die Wände des Spitalgebäudes sind überall Nischen aus Holz eingelassen: damit sich Menschen hinsetzen können, wenn sie müde werden. Und die Deckenbeleuchtung in der geschützten Abteilung simuliert den Lauf der Sonne, verändert ihre Kraft. Weil man weiss, dass sich die Stimulation der inneren Uhr positiv auf demenzkranke Menschen auswirkt und auffällige Verhaltensweisen lindert – und damit perfekt zum Konzept des Hauses passt.
Das Thema interessiert Sie?
Werden Sie Abonnent/in der Zeitlupe.
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
Um diese Website optimal bereitzustellen, verwenden wir Cookies.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Erfahren Sie mehr in der
Datenschutzerklärung.