Wer unsicher ist, ob er sich noch hinters Steuer setzen sollte, kann sich von einer Fahrberaterin durchchecken lassen – mit Vorteil, bevor ein Unfall geschieht.
Mein Mann ist 81 Jahre alt und fährt noch immer Auto. Er selbst zweifelt absolut nicht an seinen Fahrkünsten, obwohl seine Reaktionsgeschwindigkeit deutlich nachgelassen hat. Schon öfter kam es zu Beinahe-Unfällen. Wie kann ich ihn dazu bringen, den Führerschein abzugeben, bevor etwas Schlimmes passiert?»
Meistens sind die Fronten in einem derartigen Fall verhärtet, es steht Aussage gegen Aussage. Ihr Mann fühlt sich möglicherweise bevormundet, obwohl Ihre Ängste durchaus berechtigt sind. Erfolgversprechender als den immer gleichen Streit zu wiederholen, ist es, eine neutrale Person einzuschalten, zum Beispiel einen Fahrberater oder eine Fahrberaterin. Dabei handelt es sich um eine Fahrlehrerin, die dank einer weiterführenden Schulung auf Probleme wie das Ihre spezialisiert ist. Von einer solchen Fachperson kann man Feedback, Kritik oder Änderungsvorschläge viel besser annehmen als von der eigenen Ehefrau.
Die Fahrberaterin wird als erstes mit Ihrem Mann sprechen. Sie fragt ihn, ob er noch gerne fährt. Das ist keineswegs immer der Fall. Manche sagen: Ich fahre nur noch, weil ich meine Frau zur Therapie kutschieren muss. Oder: Wenn ich in der Stadt wohnen würde, hätte ich das Billett längst abgegeben. Die Fahrberaterin erkundigt sich auch nach dem Gesundheitszustand. Sie will wissen, ob Ihr Mann Medikamente nimmt, ob es Einschränkungen bei der Beweglichkeit gibt, ob er kürzlich beim Augenarzt war, ob sich möglicherweise eine beginnende Demenz abzeichnet.
Nach dem Gespräch folgt eine anderthalbstündige Fahrt im eigenen Auto, auch auf der Autobahn und im Stadtverkehr. Zwischendurch wird Halt gemacht, um aufzuzeigen, was gut und was nicht so optimal läuft. Manchmal kommt es auf dieser Fahrt zu gefährlichen Situationen. Ich hatte mal jemanden, der andauernd mit den Rädern auf der rechten Seite des Autos auf dem Trottoir fuhr, aber von dem Holpern und Rumpeln überhaupt nichts bemerkte – bis ich die Handbremse zog und ihm zeigte, wo sein Fahrzeug stand. In seinem Fall war die Demenz schon weit fortgeschritten.
Nach der Fahrt gibt es ein erneutes Gespräch. Die Fahrberaterin fragt Ihren Mann erst einmal, ob er sich wohlgefühlt hat. Dann zeigt sie ihm auf, welche Situationen gefährlich werden könnten, was man ändern sollte oder gar müsste. Ich selbst bin da relativ direkt, denn auf der Strasse geht es um Menschenleben. Meine Kunden müssen nicht so tadellos fahren wie bei einer Neulenkerprüfung, aber sie sollten unbedingt gefahrlos unterwegs sein.
Bei den einen läuft es tipptopp, sie brauchen bloss den einen oder anderen Ratschlag, wie etwa, sich häufiger umzuschauen oder wegen der steifen Halswirbelsäule einen zusätzlichen Spiegel zu montieren. Andere benötigen bei gewissen Dingen etwas Training, sie sind vielleicht zu langsam auf der Autobahn oder nehmen den Vortritt zu spät wahr. Falls Ihr Mann zur dritten Gruppe gehört, die das Autofahren besser ganz bleiben lassen sollte, wird er diese Nachricht erst einmal verdauen müssen. Für ältere Menschen ist das Auto oft ein Statussymbol, entsprechend schwer fällt es ihnen, loszulassen. Doch wenn ich frage: Könnten Sie denn wirklich damit leben, wenn Sie jemanden verletzen oder gar töten, bringt das meistens etwas in Bewegung. Einige Tage später kommt dann die Rückmeldung: Sie haben recht. Ich höre auf.
Testen Sie Ihre Fahrtauglichkeit: Das Bundesamt für Unfallverhütung hat im Internet einen Fahrsicherheits-Check aufgeschaltet, der bei der Beurteilung der eigenen Fahrkünste helfen kann: fahrsicherheitscheck.ch
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