Wenn der Appetit oder die Energie fürs Einkaufen und Kochen fehlt, essen viele zu wenig oder zu einseitig. Der Mahlzeitendienst bringt feines, ausgewogenes Essen schön angerichtet direkt nach Hause. Die Zeitlupe fuhr auf der Verteiltour bei Pro Senectute Appenzell Innerrhoden mit.
Text: Annegret Honegger
Suppe, Salat und Riz Casimir: Der Kofferraum von Marlise Hersches grauem Suzuki ist an diesem Donnerstagmorgen gegen neun Uhr voll. Sorgfältig haben sie und ihre Kollegin Margrit Fuchs alle Mahlzeiten abgezählt, in ihre Autos geladen und mit Schaumgummimatten fixiert. Jetzt überprüfen die beiden Fahrerinnen nochmals, dass kein Dessert fehlt und dass diejenigen Boxen zuoberst liegen, die zuerst ausgeliefert werden. Dann wünschen sie einander «Gute Fahrt» und die Autos setzen sich in Bewegung.
Erster Halt: Seniorenresidenz. Marlise Hersche holt die oberste Mahlzeit aus dem Kofferraum, stellt zwei kleine Böxchen mit Curry- und Salatsauce sowie ein Dessertschälchen mit einem Brownie obendrauf und klingelt an der Haustür. Im ersten Stock steht die Wohnungstüre bereits offen und der Behälter mit den Retouren bereit. Man wünscht einander einen schönen Tag – und weiter gehts.
Marlise Hersche weiss genau, bei wem sie auf ihrer Tour läuten muss, wo die Türe unverschlossen ist und wo sie das Essen im Milchkasten deponieren soll. Manche ihrer Kundinnen und Kunden kommen ihr entgegen und fragen, was es heute gibt: «Riz Casimir? Fein!» Jemand schläft noch und hat seinen Schlüssel in einem Kästchen mit Zugangscode hinterlegt. In einigen Wohnungen steht das Leergut gewaschen und verpackt parat, andernorts sucht Marlise Hersche Teller und Schalen auf dem Tisch und im Geschirrspüler zusammen. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich essen, wohnen und leben sie auch.
Die Angaben auf den Zetteln zu den Kundinnen und Kunden braucht die erfahrene Kurierin längst nicht mehr. Seit dreizehn Jahren fährt Marlise Hersche dreimal pro Woche für Pro Senectute und weiss, wer zwei Mal Suppe oder kein Dessert wünscht, keine Salatsauce mag, keine Pilze oder keine Blutwurst isst. Sie weiss auch, wer sich etwas einsam fühlt, wer langsam vergesslich wird und wo sie darauf achten muss, ob jemand zur Türe kommt: «Zweimal musste ich schon einen Krankenwagen rufen.» Auch wenn keine Zeit für längere Gespräche bleibt, weil andere auf ihr Essen warten, sind die kurzen Kontakte mit dem Team des Mahlzeitendienstes für viele wichtig.
Parkieren, aussteigen, Essen liefern, Leergut verstauen, weiterfahren – jeder Handgriff sitzt. Beim Losfahren schnallt sich Marlise Hersche einarmig an. Unterwegs nimmt sie mit einer Hand einen Schluck aus ihrer Trinkflasche. Sie fährt ruhig und routiniert, auch auf schmalen Strässchen hinauf zu abgelegenen Höfen. Dort sind die Menschen darauf angewiesen, dass das Essen zu ihnen kommt, wenn sie nicht mehr selbst einkaufen und kochen können. Fahr- und Fitnesstraining seien im Job inbegriffen: «Ich fühle mich auch im Winter sicher auf den Strassen und nehme möglichst selten den Lift.» Dreissig, vierzig Kilometer hat sie am Ende ihrer Tour auf dem Tacho und wohl einiges auf dem Schrittzähler.
«Rahmgeschnetzeltes, Gratins und Teigwaren stehen ganz oben auf der Hitliste», sagt Fabian Wüthrich. In seiner Küche im Alterszentrum Gontenbad werden die Menus für den Mahlzeitendienst täglich frisch zubereitet, abgekühlt und abgepackt. «Wir kochen, was die Leute mögen, womit sie aufgewachsen sind», erklärt der Küchenchef. Aber natürlich auch so, dass die Versorgung mit Eiweiss, Vitaminen, Ballaststoffen und gesunden Fetten stimmt. Salat und Gemüse gehören zu jeder Mahlzeit und helfen, die Gesundheit und damit auch die Lebensqualität zu erhalten.
Gegen halb elf Uhr steht die letzte Mahlzeit beim letzten Kunden auf dem Tisch. Marlise Hersche fährt zurück ins Alterszentrum, bringt die leeren Boxen in die Küche und trägt letzte Änderungswünsche nach. Die Bestellungen für den nächsten Tag haben sie und ihre Kollegin bereits am Morgen erledigt. Sie studiert den Menüplan für die kommende Woche: Es gibt Schweinsgeschnetzeltes mit Müscheli, heissen Fleischkäse mit Kartoffelstock, Brätchügeli im Gemüsereisring, Ghackets mit Hörnli und Apfelmus sowie – Marlise Hersche siehts und sagt lachend: «Kutteln – da bin ich ja gespannt!»
© Annegret Honegger
Mahlzeitendienst von Pro Senectute Appenzell Innerrhoden
Eine ausgewogene Ernährung trägt viel zum Wohlbefinden und zur Gesundheit bei. Sie stärkt Muskeln, Knochen und das Immunsystem, beugt Krankheiten vor und unterstützt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Bei Pro Senectute Appenzell Innerrhoden sind die Fahrerinnen und Fahrer täglich unterwegs. Alle Menus werden mit saisonalen Produkten frisch zubereitet. Die Mahlzeiten können in der Pfanne oder der Mikrowelle aufgewärmt und auch im Kühlschrank aufbewahrt werden. Schonkost, Diabetes-Diät oder vegetarische Kost sind möglich. Informationen und Bestellungen: Telefon 071 788 10 28 (vormittags), www.ai.prosenectute.ch
Mahlzeitendienste gibt es in fast allen Kantonen. Angebote in der Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Adressen via prosenectute.ch oder Infoline 058 519 15 15.