Unterwegs mit Schutzengel
Auf dem Foto von 1963 läuft Cécile Bernet-Schwager aus Adligenswil LU als
18-Jährige Schlittschuh auf dem Bodensee. Wenig später kam es fast zur Katastrophe!
Die Bodenseegfrörni 1963 wollte sich meine Familie nicht entgehen lassen. Während meine Eltern mit der jüngsten Schwester spazieren gingen, schnallten mein Bruder, meine Freundin und ich unsere Schlittschuhe an. Alex, fünf Jahre älter und ein richtiger Draufgänger, wollte mit uns abseits des Rummels die zwölf Kilometer von Arbon hinüber nach Langenargen fahren.

Das Eis war holprig, der Weg weit und wir Mädchen keineswegs geübte Schlittschuhläuferinnen. Alex fuhr voraus, wir hintendrein. Als er auf dem Rückweg mitten auf dem See einen besonders glatten Abschnitt Eis vor sich sah, rief er noch: «Hei, wie schön!» – und brach ein. Wohl wegen einer Strömung war der See an dieser Stelle kaum zugefroren.
Hätte mein Bruder als Fallschirmspringer nicht Nerven wie Drahtseile gehabt, wäre er wahrscheinlich erfroren und ertrunken. Doch er blieb ruhig und arbeitete sich ganz langsam aus dem Loch heraus, indem er die Arme auf die Eisfläche legte, wartete, bis der Pullover etwas anfror und sich so Zentimeter für Zentimeter wieder auf das tragfähige Eis ziehen konnte. Alex trug nicht einmal eine Erkältung davon und rückte am Sonntagabend wieder in den WK ein. Ich hingegen spüre die Angst von damals bis heute, wenn ich die Fotos anschaue, die mein Vater vor unserer Fahrt knipste.
Abgesehen von diesem Schock hatte ich eine schöne Kindheit im kleinen Thurgauer Dorf Ifwil. Zu unserer Bauernfamilie gehörten sieben Kinder und sechs Kühe. Wir lebten bescheiden, aber weil es allen gleich ging, vermissten wir nichts. Schlittschuh laufe ich heute nicht mehr, doch ich bin glücklich, dass ich mit meinem Mann immer noch z Berg gehen und Schneeschuhtouren geniessen kann.
Aufgezeichnet von Annegret Honegger