Pionierinnen in Blau
1962 stellten die Zürcher Verkehrsbetriebe erstmals Billetteusen ein: Nelly Schenk-Wüthrich zog 21-jährig von Langenthal nach Zürich und gehörte zu den ersten Frauen an Bord der blauen Trams.
Mein frühster Dienst begann um 4.53 Uhr an der Elisabethenstrasse – verschlafen habe ich nur ein Mal. Wir Billetteusen mussten alle Linien, Haltestellen und Fussverbindungen sowie die verschiedenen Tarife auswendig kennen.
Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Ansage der Haltestellen. Mit dem optischen Signal teilte ich dem Wagenführer mit, wenn jemand aussteigen wollte und ob das Tram zur Weiterfahrt bereit war. Weiter mussten wir Wagen an- und abkoppeln können, bremsen oder einen Stromabnehmer einhängen.
Mir gefielen meine abwechslungsreiche und selbstständige Arbeit und der Kontakt mit den Fahrgästen sehr. Furchtbar fand ich nur Teile der Uniform: Die Bluse war kaum zu bügeln und der Hut so unmöglich, dass ihn kaum jemand trug…
Wir machten die gleiche Arbeit wie unsere Kollegen und verdienten auch gleich viel. Anfangs skeptisch, gewöhnten sich die Männer bald an uns Frauen. In der Kantine der SBB, der «Spiisi», funkte es bei so manchem Paar. Auch bei mir und dem Chauffeur, der wie ich kein «züritüütsch» sprach … Heute unvorstellbar: Beim gemeinsamen Dienst hielt mein Mann einmal extra für mich an, damit ich im Milchlädeli noch etwas kaufen konnte!
Im November 1968 hörte ich als Billetteuse auf: Die Uniform wurde zu eng, weil ich in Erwartung war. Später lösten die Automaten uns Billetteusen ab. Heute bin ich eher mit meinem Velo unterwegs als mit dem Tram – ich habe Parkinson und muss mich viel bewegen. Aber wenn es bei den VBZ eine neue Linienführung oder eine neue Endstation gibt, schaue ich mir das an.
Aufgezeichnet von Annegret Honegger