Die EU debattiert darüber, die Zeitumstellung abzuschaffen. In der Schweiz knüpft sich nun eine Initiative die 1981 vom Bundesrat eingeführte Sommerzeit vor.
DAFÜR
Martin Ott Landwirt, Leiter der biodynamischen Ausbildung Schweiz und Buchautor
Sicher, früh aufstehen ist etwas Wunderschönes, in Erwartung einer Schulreise, des Alpaufzugs, einer Prüfung oder besonderen Begegnung. Aber diese aufoktroyierte verlorene oder gewonnene Stunde kann ich nicht einbauen in meine Lebenswelt. Selbstverständlich beruhige ich mich jeweils und sage mir, wir tun das alle gemeinsam – alle Europäerinnen und Europäer eines gewissen Gebietes machen das jetzt miteinander – weil wir dadurch Energie sparen können. Aber dieser wünschbare ökologische Effekt konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden.
Der staatlich verordnete Eingriff in unser rhythmisches System soll ein Ende haben. Beim Umstellen der Sommerzeit auf Winterzeit oder umgekehrt beschleicht mich immer eine Art Hilflosigkeit und ein leises Gefühl eines zu erleidenden Übergriffes in meine persönliche Lebenswelt. Selbstverständlich verliert man nicht gerne eine Stunde und bekommt umso lieber eine geschenkt, aber da ist noch etwas anderes.
Jeder erinnert sich noch an seine erste Freinacht. Die freche Unabhängigkeit, das zunehmend wolkigtaube Wattegefühl ignorierend. Jeder Mensch versucht seine natürlichen Grenzen zu sprengen. Aber er darf auch klüger werden und sich bewusst damit abfinden, dass er ein Teil einer wunderbar geometrischen, zeitlich geordneten Naturresonanz ist. Diese akzeptierend, kommen wir zu echter Autonomie. Die innere Freiheit, uns in unsere natürlichen Grundlagen und dem vom Sonnensystem gegebenen lebendigen Rhythmus fallen zu lassen. Das gibt schliesslich die innere Freiheit, die wir vielleicht wirklich suchen. Die Freiheit, das «Richtige» bewusst – in Resonanz – und dadurch «richtig» zu tun. ❋
DAGEGEN
Felix Blumer Meteorologe bei SRF Meteo
Aus astronomischer Sicht ist die heutige Lösung die beste. Nimmt man an, dass die meisten Leute zwischen 6 und 20 Uhr arbeiten, ist die aktuelle Sommerzeit zweckmässig. Zu Beginn der Sommerzeit Ende März muss so oder so eine Stunde ohne Sonnenlicht gearbeitet werden. Mit der Sommerzeit fällt diese dunkle Zeit am Morgen an, sonst am Abend. Im Frühling kommt die Zeitumstellung primär unserem Freizeitverhalten abends entgegen.
Anders sieht es im Herbst aus. Am Ende der Sommerzeit Ende Oktober geht die Sonne um 8 Uhr auf. Am Morgen muss so maximal zwei Stunden im Dunkeln gearbeitet werden. Am Abend geht die Sonne um 18.15 Uhr unter. Es ist so rund 1 Stunde und 45 Minuten dunkel. Ohne Sommerzeit wäre es am Morgen nur 1 Stunde dunkel, am Abend aber 2 Stunden und 45 Minuten. Daher dauert die Sommerzeit seit 1996 nicht nur bis Ende September, sondern bis Ende Oktober. Eine noch längere Zeitumstellung würde bezüglich Tageslicht keinen weiteren Nutzen mehr bringen.
Zwischen dem Ende der Sommerzeit und dem kürzesten Tag nimmt die Tageslänge am Abend nur noch um 40 Minuten ab. Am Morgen verspätet sich aber der Sonnenaufgang bis zum kürzesten Tag nochmals um 70 Minuten. Das bedeutet: Wir müssen am kürzesten Tag am Morgen rund 2 Stunden und 10 Minuten im Dunkeln arbeiten, am Abend 3 Stunden und 20 Minuten. Mit der Sommerzeit würden sich die Zeiten auf 3 Stunden und 10 Minuten am Morgen und 2 Stunden und 20 Minuten am Abend verschieben. Damit ist klar: Die heutige Regelung ist die effizienteste. Will man auf eine Zeitumstellung verzichten, wäre aus Sicht der Astronomie die Sommerzeit zu favorisieren. ❋
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