Zürich im Brauchtumsfieber: Die Limmatstadt ist erstmals seit 1974 wieder Gastgeberin des Eidgenössischen Trachtenfests. Damals wie jetzt dabei: Ursula Hänni-Hauser und ihr Mami Ruth Hauser-Wettstein.
Text: Marco Hirt, Fotos: Christian Senti
Es ist an diesem Freitagmorgen nicht viel los auf dem Sechseläutenplatz in Zürich. Wer noch nicht im Büro ist, hetzt vorbei, andere lassen den Tag im Café an der wärmenden Sonne ruhig angehen. So ernten die zwei Frauen, die vor einer Plakatsäule des Opernhauses für Fotos posieren, nur wenig verwunderte Blicke – obwohl sie in ihren Trachten ins Auge stechen. «Am Bahnhof und im Zug hierher war ich schon der Hingucker», sagt Ursula Hänni-Hauser. Ihre Mutter, Ruth Hauser, war kaum aus dem Haus, als sie bereits auffiel. «Meine Nachbarin rief mir zu: ‹Gosch go jodle?›», erzählt sie und lacht.
«Bis zu 100 000 Zuschauende»
Ums Jodeln geht es trotz Trachten nicht: Wir treffen die beiden im Hinblick auf das Eidgenössische Trachtenfest vom 28. bis 30. Juni, zu dem sich die 26 Kantonalverbände der Schweizerischen Trachtenvereinigung in Zürich treffen. Ursula Hänni ist fürs Volksfest mit dem fast 40-köpfigen Organisations-Komitee im Einsatz: Die 55-Jährige ist Vize-Präsidentin und leitet das Ressort Öffentlichkeitsarbeit. «Wir erwarten gegen 5000 Aktive und bis zu 100 000 Zuschauende, die auf vier Festplätzen und sieben freien Bühnen viel Musik und Tanz, Tradition und Brauchtum geniessen dürfen.»
Sind die zwei beim Fotoshooting die einzigen traditionell gekleideten Personen auf dem Sechseläutenplatz, wird es am 29. Juni dort ganz anders aussehen. Ursula Hänni: «Zu einem der Höhepunkte des Fests versammeln sich etwa 2000 Erwachsene und 300 Kinder – alle in Tracht. In Formationen zeigen sie Volkstänze zur Livemusik von Ländlerkapellen.» In Aktion wird dann auch Ruth Hauser als Mitglied der «Volkstanzgruppe am Bachtel» sein. Sie würden schon fleissig üben, meint die 78-Jährige, deren Vorfreude spürbar ist. Viele Brauchtumsgruppen werden zudem auf einem der innerstädtischen Plätze auftreten – bei gutem Wetter, wie sie hofft.
Denn 1974, beim letzten Eidgenössischen Trachtenfest in Zürich, sei es sehr nass gewesen, wie Ruth Hauser noch bestens weiss. «Beim Volkstanzfest sind wir grässlich verregnet worden. Dafür erinnere ich mich gern an den Nachtumzug mit Lichterbräuchen, den es damals noch gab. Und wie wir mit ein paar Kindern beim Grossmünster an einer Aufführung getanzt haben.» Klein-Urseli, damals sechsjährig, kann sich lediglich an den Nachtumzug entsinnen. «Und dass ich an einem Spielzeugstand etwas aussuchen durfte – ein Bäbibett aus Plastik. Erstaunlich, was einem im Gedächtnis bleibt.»
Die Tradition ist eine schöne Nebensache
Eine Tracht zu tragen, wurde für die Mutter schon früh zur Gewohnheit, da sie in jungen Jahren bereits in Volkstanzgruppen mitgewirkt hatte. Ebenso selbstverständlich wurde es für die Tochter, weil sie mit den Eltern und ihrer Schwester als Familienkapelle Hauser die Volkstanzgruppe Hinwil ZH begleitete. «Papi spielte Klarinette, Mami die Bassgeige, meine Schwester Klarinette und ich das Schwyzerörgeli.» Als sie und die anderthalb Jahre jüngere Barbara dann daheim ausflogen und ihre Ausbildung begannen, war es zwar mit der Musik vorbei, aber die Tracht blieb. Ursula Hänni: «Ich zeige mich gerne in Tracht – nicht nur bei Volksfesten, sondern auch bei familiären Feiern wie Taufe oder Konfirmation. Da mein Vater Glarner ist, trage ich seit Langem die Glarner Festtagstracht, ich habe auch noch eine Zürcher Oberländer Werktagstracht. Und fürs anstehende Fest liess ich mir noch eine kantonalzürcherische Tracht schneidern.» Sie trage alle mit Stolz und Begeisterung. «Es ist auch eine klare Aussage, die ich damit mache: Ich stehe zu Heimat und Tradition – ohne aber in der ‹rechten Ecke› verortet werden zu wollen», erklärt die EVP-Politikerin. Ihre Mutter findet schlicht, dass man in einer Tracht immer «schmuck» aussehe. «Sie ist Schmuckstück sowie Festkleid zugleich!» Ruth Hauser fügt schmunzelnd hinzu: «Und zu speziellen Anlässen steht ohne viel zu überlegen fest, was man trägt.»
So verbindend die Trachten auch wirken: Diese Tradition sei bei ihnen nur eine schöne Nebensache. «Die Familie steht bei uns im Vordergrund, wir sehen und hören uns gern und oft, haben einen schönen Austausch und eine unkomplizierte Beziehung.» Eine wichtige Rolle nimmt der Glaube ein, die christlichen Werte. «Der Vater meiner Mutter war Pfarrer – ein Vorbild für mich. Ihm lag viel an einem friedlichen Miteinander», erzählt Ursula Hänni. «Und dass wir einander Sorge tragen. Auch wenn wir viel zusammen sind, Konflikte kennen wir nicht. Wir konzentrieren uns darauf, was uns vereint – und nicht auf das, was uns trennt.»
Persönlich
Ursula Hänni-Hauser (geboren 1968) lebt in Uetikon am See ZH, ist seit 1994 verheiratet und hat eine Tochter (24) und einen Sohn (22). Sie war früher als Sekundarlehrerin tätig, arbeitet heute im Nonprofit-Management und betreibt in ihrer Freizeit u. a. Familienforschung.
Ihre Mutter, Ruth Hauser-Wettstein (geboren 1945), lebt in Hinwil ZH, ist seit 1967 verheiratet und hat noch eine weitere Tochter. Mit Mitte 40 wechselte sie ihren Beruf und wurde von der Lehrerin zur Pflegefachfrau.
Volksfest in Zürich
Vom 28. bis 30. Juni ist die Stadt Zürich Gastgeberin des Eidgenössischen Trachten-
fests. Trachtenleute aus allen Kantonen und Sprachregionen präsentieren sich mit Tanz,
Gesang und Musik – Volkskultur pur auf vier Festplätzen und sieben freien Bühnen.
Highlights: Konzert der Trachtenchöre, Volkstanz- und Kinderfest, viersprachige Chorgala und Festumzug.
Auch SRF ist dabei: «Zoogä-n-am Boogä» (28. 6., 20 Uhr auf SRF Musikwelle), «Potzmusig» (29. 6., SRF1, 18.10 Uhr) und Übertragung von Festgottesdienst und Festumzug (30. 6., SRF1).
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