Der Prix Sana würdigt jährlich Personen, die sich uneigennützig für andere Mitmenschen einsetzen. Die Tessinerin Anna Maria Sury begann damit bereits in der Primarschule.
Text: Fabian Rottmeier
Anna Maria Sury betont immer wieder, wie wichtig Zeit sei. Einmal sagt sie: «Wenn man Zeit kaufen könnte, würde ich sie vor dem Verschenken sogar in Geschenkpapier hüllen.» Sie widmet einen Grossteil ihrer Freizeit Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Wer in ihre Kindheit zurückschaut, versteht, weshalb.
Die heute 57-Jährige wuchs am Comersee auf. Ihr Vater und ihr Grossvater waren Schweizer, ihre Mutter Italienerin. Ihre Eltern lebten ihr vor, dass man seinen Mitmenschen hilfsbereit begegnet. Und so wollte es die Primarschülerin Anna Maria nicht akzeptieren, dass eine Schulfreundin den Unterricht nicht mehr besuchen konnte, weil deren Vater schwer erkrankt war. Anna Maria teilte sich dessen Betreuung mit ihrer Freundin auf. «Dieses Erlebnis hat mich geprägt.» Später liess sie sich an der Bündner Schwesternschule Ilanz zur Pflegefachfrau ausbilden. Erst dort lernte sie Schweizerdeutsch. Sie beherrscht es noch heute fliessend (und mindestens so lebhaft wie Italienisch!) – mit einem Tessiner und Bündner Akzent. Die Ilanzer Schule war, wie von ihren Eltern gewünscht, vom Roten Kreuz anerkannt.
Vernetzen öffnet Türen
Mittlerweile lebt sie schon lange in Muralto bei Locarno. Viele kennen sie hier, politisiert sie doch auch seit Längerem im Gemeinderat. So könne man in der Freiwilligenarbeit viel mehr bewirken, sagt sie. «Es öffnen sich viele Türen, man muss bloss wissen, durch welche man wann genau gehen soll.» Sie hat den Verein Turismo Inclusivo mitbegründet, der Gästen mit einer Behinderung oder Einschränkung Ferien ermöglicht und erleichtert. Im Verein Muralto per Tutti hilft sie strauchelnden Jugendlichen, fördert, begleitet und motiviert sie.
Dies alles verknüpft die Tessinerin mit ihrem jahrzehntelangen freiwilligen Einsatz für Menschen, die mit der Diagnose ALS konfrontiert werden. Die unheilbare Nervenkrankheit führt zu einem fortlaufenden Muskelschwund. Personen mit der Diagnose amyotrophe Lateralsklerose leben im Schnitt noch drei bis fünf Jahre. Als teilzeitarbeitende Pflegefachfrau im Kantonsspital Lugano hat sie auf der Neurologie-Abteilung schon über 100-ALS-Patienten begleitet. Im Sommer hilft Anna Maria Sury mit dem Verein ALS Schweiz und der lokalen Spitex, im Tessin eine Ferienwoche zu organisieren. Die Botschaft: Auch mit ALS sollen Ferien möglich sein.
So hat sie auch dafür gesorgt, dass am Hafen von Muralto die erste Vorrichtung der Schweiz steht, mit der auch schwere Elektrorollstühle auf kleinere Boote gehoben werden können – ganz ohne Rampe. «Unsere Gäste schöpfen aus der Ferienwoche viel Kraft. Sie erleben, dass das Leben noch schön sein kann und dass sie nicht alleine sind.» Ebenso wichtig sei, die mitgereisten Angehörigen zu entlasten. Auch junge Menschen unterstützen sie dabei. Die jüngste Helferin war in diesem Jahr 16 Jahre alt. Anna Maria Sury freut sich, dass schon einige «ihrer» Jugendlichen später einen Pflegeberuf erlernt haben. Einer führt heute eine Bar, die Personen mit einer Einschränkung beschäftigt. «Mein Elan ist ansteckend!», sagt sie und lacht. Das sei wichtig, denn «die Krankheit wird es auch noch geben, wenn ich nicht mehr lebe».
Ausgezeichnetes Engagement
Die Aussage passt zu ihr, denn nur wenn etwas zu Ende gebracht ist und funktioniert, ist sie zufrieden. Ende November wird Anna Maria Sury für ihren Einsatz als eine von drei Personen mit dem Prix Sana 2019 ausgezeichnet. Eine Wertschätzung, die sie sehr freut, weil damit ihr langjähriges Engagement gewürdigt werde und nicht ein einzelnes Projekt, wie sie sagt. Bei so viel Engagement: Wie steht es da um die eigene Freizeit? Die komme nicht zu kurz, versichert sie. Sie mag Gesellschaft. «Alleine bin ich eigentlich nie.» Kein Wunder bei einem Ehemann, einem Hund, vier Katzen und drei erwachsenen Kindern. Es sei immer ein schöner Moment, am Samstagabend alle zu bekochen – zusammen mit ihrem Mann. «Wir vertragen uns auch in der Küche.» ❋
Prix Sana 2020
Die Fondation Sana, eine Stiftung der Krankenkasse Helsana, zeichnet jährlich Persönlichkeiten aus, die mit ihrer Freiwilligenarbeit einen grossen Beitrag für ihre Mitmenschen leisten. Die Nominationen für den Prix Sana 2020 werden bereits entgegengenommen. Das Eingabeformular ist auf www.prix-sana.ch oder telefonisch (031 368 15 83) erhältlich.
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