Kochen ist mein Lebenselixier
Seit über vierzig Jahren verwöhnt Sternekoch Armin Amrein mit seinen Kreationen Prominente aus aller Welt. Einem grossen Publikum bekannt wurde er mit dem «Coop-Mittwochstudio», das zwischen 1993 und 2005 im Schweizer Fernsehen ein Millionenpublikum erreichte. Vor vier Jahren ist der gebürtige Krienser nochmals durchgestartet und hat als 60-Jähriger sein eigenes Gourmetrestaurant eröffnet.
Sie gehören zu den renommiertesten Köchen der Schweiz und stehen seit dem 16. Lebensjahr trotz der meist langen und anstrengenden Arbeitstage mit sichtbarem Spass in der Küche. Wie schaffen Sie das?
Kochen ist mein Lebenselixier, ich kann dabei immer wieder Neues kreieren und mich stetig weiterentwickeln. Wenn meine Gäste das Restaurant zufrieden und glücklich verlassen, dann tut mir das in der Seele wohl. Es gab bislang keinen einzigen Tag, an dem ich nicht mit Freude zur Arbeit gegangen wäre.
Diese Begeisterung lassen Sie auch Ihre Gäste spüren. Selbst Mails beenden Sie mit dem Zusatz «Ein Lächeln». Braucht es nicht manchmal Kraft, stets liebenswürdig zu sein?
Ich kann gar nicht anders. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, meinen Gästen nebst dem Esserlebnis auch ein besonderes Ambiente zu bieten und mich persönlich um sie zu kümmern.
Gastgeber zu sein, ist trotzdem nicht blosses Vergnügen. Welches ist die grösste Herausforderung, wenn man auf Ihrem Niveau kocht?
Dass man jeden Tag eine Topleistung erbringen muss. Wir müssen unseren Gästen konstante Qualität bieten, auch wenn wir einmal nicht so gut drauf sind. Wir können uns keine Flops leisten.
Wie gehen Sie mit diesem permanenten Druck um? Ihre Kreationen werden ja auch jedes Jahr von Experten neu bewertet. Einige Ihrer Kollegen sind deswegen aus der Spitzengastronomie ausgestiegen, andere sind daran zerbrochen.
Ich fühle mich eigentlich nicht unter Druck, so erstaunlich das klingen mag. Ich versuche einfach immer, mein Bestes zu geben. Wenn mein Menü den Testesserinnen oder Testessern nicht gefällt, dann kann ich daran eh nichts ändern. In all den Jahren wusste ich mit einer Ausnahme übrigens nie, wann ich getestet wurde.
Zwischen 1993 und 2005 hatten Sie im Schweizer Fernsehen mit dem «Coop-Mittwochstudio» eine Kochsendung, mit der Sie ein Millionenpublikum erreichten. Wie fühlte es sich an, «Fernsehkoch der Nation» zu sein?
Es hat mir wahnsinnig Spass gemacht. Ich erhielt viele positive Reaktionen auf die Sendungen, wurde auf der Strasse darauf angesprochen und musste sogar Autogrammkarten drucken. Dank meiner Bekanntheit wurde ich auch in den Medien zum Thema und unter anderem zu «Benissimo» und zu Kurt Aeschbacher eingeladen. Da in den Kochsendungen immer auch Prominente zu Gast waren, konnte ich überdies viele Beziehungen knüpfen.
Weil Sie am TV keine Luxusdiners, sondern Alltagsmenüs präsentiert haben, wurden Sie von einigen Sterneköchen etwas belächelt.
Das hat mir nichts ausgemacht, denn ich wusste, dass hinter diesen spitzen Bemerkungen auch immer ein Quäntchen Neid steckte. Ich hatte, wie oft in meiner Karriere, das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, habe die Chance gepackt und meine Leistung gebracht.
Sie schreiben im Schnitt alle drei Wochen ein neues Menü. Woher holen Sie sich die Inspirationen?
Als Erstes orientiere ich mich am Markt und kläre ab, welche Lebensmittel in welchem Zeitraum erhältlich sind. Dann überlege ich mir, wie ich diese saisonalen Zutaten kombinieren könnte, und probiere meine Ideen aus. Dabei spielt neben der Kreativität und Fantasie auch meine Erfahrung eine wichtige Rolle. Manchmal beziehe ich zudem meine Küchencrew ein, und wir entwickeln zusammen neue Gerichte.
Und die kommen dann auf die Menükarte?
Erst wenn ich sie mit meiner Ehefrau Corina besprochen habe. Sie ist meine wichtigste Vertrauensperson, kennt meine Küche in- und auswendig und hat trotzdem eine Aussensicht. Sie urteilt sozusagen aus der Gästeperspektive. Wenn sie einen Vorschlag nicht gut findet, dann vergesse ich ihn.
Immer mehr Menschen leiden an Nahrungsmittelunverträglichkeiten, andere wollen vegetarische oder vegane Gerichte. Wie handhaben Sie diese Herausforderungen?
Wir wollen allen Gästen etwas Spezielles bieten und nehmen solche Bedürfnisse sehr ernst. Ich bin deshalb dankbar, wenn man mir rechtzeitig mitteilt, worauf ich achten muss. Dann kann ich auf die Wünsche eingehen. Wenn ich erst davon erfahre, wenn die Gäste am Tisch sitzen, ist es etwas schwieriger.
Kochen Sie heute eigentlich anders als zu Beginn Ihrer Karriere?
Ja, denn ich habe mich stetig weitergebildet. In den Zwischensaisons bin ich immer wieder ins Ausland gereist, habe dort in die Töpfe geschaut und mich inspirieren lassen. Zudem habe ich Stages bei anderen Spitzenköchen absolviert, um zu sehen, wie und womit diese arbeiten, welche Trends aktuell sind. So zum Beispiel 2014 beim Schweizer Daniel Humm im weltbekannten Drei-Sterne-Restaurant «Eleven Madison Park» in New York City. Nicht um zu kopieren, sondern um Neues kennenzulernen. Die Dinge, die mir jeweils gefallen und die zu mir passen, integriere ich dann in meine Küche.
„Neben Kreativität und Fantasie spielt Erfahrung eine wichtige Rolle.„
Sie haben mit 60 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und führen in Davos seit der Wintersaison 2015/16 mit dem «Glow by Armin Amrein» Ihr eigenes Gourmetrestaurant. Hatten Sie vor der Eröffnung keine Zukunftsängste?
Es brauchte schon etwas Mut, denn die einzige Garantie, die ich hatte, war ich selber. Ich habe das Projekt mit meiner Ehefrau und ihrem Zwillingsbruder vor dem Start sehr genau geplant, und sie haben mich enorm unterstützt. Ich wusste, dass sie an mich glauben und hinter mir stehen. Im Nachhinein betrachtet, war es die richtige Entscheidung.
Sie präsentieren am Mittag einen täglich wechselnden Business-Lunch, abends umfasst Ihr Menü vier bis sieben Gänge. Auf der Menükarte stehen zudem immer vier beliebte Klassiker, mit denen man einzelne Gänge ersetzen kann. Das ist eher unüblich.
Das stimmt, aber wir haben uns dabei auf unsere jahrzehntelange Erfahrung gestützt. Das Konzept bewährt sich, und ich kann zu 100 Prozent dahinterstehen.
Um den hohen Standard garantieren zu können, braucht es auch eine verlässliche Küchenbrigade…
Nicht zuletzt deshalb lege ich grossen Wert darauf, dass sich meine Crew bei der Arbeit wohlfühlt, sich einbringen kann. Bei der Qualität gehe ich aber keine Kompromisse ein, da bin ich sehr pingelig und kann schon mal ein Machtwort sprechen. Ich mag es auch nicht, wenn man mit den Ressourcen achtlos umgeht, und schaue deshalb darauf, dass wir möglichst wenig Lebensmittel wegwerfen müssen. So landen bei uns zum Beispiel Peterlistiele nicht einfach im Kompost, sondern sie werden für einen Suppenfond verwendet. Auch auf den Wasserverbrauch habe ich stets ein Auge.
In den Zwischensaisons oder wenn es Ihr Zeitplan erlaubt, kochen Sie auch auswärts. Letztes Jahr waren Sie zum Beispiel auf einer Gourmet-Schiffsreise und in der Schweizer Botschaft in Peking zu Gast. Weshalb nehmen Sie solche Engagements an?
Weil ich Herausforderungen liebe, es rüüdig Spass macht und erst noch beste Werbung ist. Ich bereite mich immer akribisch auf solche Anlässe vor und rekognosziere, wenn es geht, auch die Location. Denn es muss vor Ort alles stimmen, damit ich die Gerichte optimal zubereiten und präsentieren kann.
Sie haben im Verlauf Ihrer Karriere viele bekannte und einflussreiche Personen wie Tina Turner, Henry Kissinger, Bill Gates und Kofi Annan bekocht. Was bedeutet das für Sie?
Ich bin schon ein wenig stolz darauf, dass ich so viele Prominente verwöhnen durfte. Doch egal, wer bei mir einkehrt, jeder Gast ist König. Vielleicht bin ich im Unterbewusstsein etwas nervöser, wenn bekannte Persönlichkeiten zu Besuch sind, obwohl ich weiss, dass sie auch nur Menschen sind wie du und ich.
Wird man nicht eitel, wenn man so bekannt und erfolgreich ist?
Ich hatte nie das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und habe immer versucht, mich selber zu bleiben. Ein wenig eitel bin ich aber schon. Ich bin nicht nur beruflich ein Perfektionist, sondern auch privat. So achte ich stets auf mein Äusseres und absolviere jeden Morgen Liegestützen sowie ein rund zwanzigminütiges Stretchingprogramm, um in Form zu bleiben.
Die Belastung, die die Spitzengastronomie mit sich bringt, hat auch bei Ihnen ihren Tribut gefordert. Ihre erste Ehe ist daran zerbrochen.
Das stimmt leider. Ich war am Anfang meiner Karriere als Küchenchef im Restaurant des 5-Sterne-Resorts «Bürgenstock» nicht nur im Sommer voll eingespannt, sondern auch in den Wintermonaten ständig engagiert. Ich habe Saisonstellen angenommen, für verschiedenste Events gekocht, war als Fernsehkoch tätig und habe an der Berufsschule unterrichtet. So blieb für die Familie einfach zu wenig Zeit, und irgendwann ging es nicht mehr. Ich habe aber daraus gelernt und spreche nun alle Aktivitäten mit meiner jetzigen Frau Corina ab.
Wie verstehen Sie sich heute mit Ihrer Exfrau und Ihren Töchtern Ramona und Olivia?
Wir kommen sehr gut miteinander aus. Vor drei Jahren bin ich Grossvater geworden und Miguel, Ramonas Sohn, macht mir grosse Freude. Leider sehe ich ihn aus Zeitgründen viel zu wenig, geniesse dafür aber jedes Zusammensein mit ihm doppelt.
An den Enkelkindern merkt man, dass man selber keine zwanzig mehr ist. Wie gehen Sie damit um?
Ich fühle mich viel jünger, als ich bin, und komme mir nicht vor wie ein Grossvater. Ich bin gesund und kann in der Küche noch bestens mit den Jungen mithalten. Wenn ich aber erfahre, dass Jahrgänger oder ehemalige Schulkolleginnen oder Schulkollegen gestorben sind, dann mache ich mir schon Gedanken. Dann wird mir bewusst, dass ich zur Generation gehöre, die als Nächstes an die Reihe kommt…
Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Ja. Ich gehe zwar nicht in die Messe, bin aber ein gläubiger Mensch. Ich verlasse das Haus nie ohne Weihwasser, und wenn ich in Stansstad bin, zünde ich in der Kirche, in der unsere Töchter getauft wurden, immer eine Kerze an.
2020 erreichen Sie das offizielle AHV-Alter. Wie steht es mit Überlegungen zur Pensionierung?
Ich schiebe das Ganze vor mir her und würde überhaupt nicht ans Aufhören denken, wenn mich meine Frau nicht von Zeit zu Zeit ermahnen würde. Klar ist jetzt schon, dass ich die Wintersaison 2020/21 noch machen und somit mindestens ein halbes Jahr über die Pensionierung hinaus arbeiten werde. Ob es danach weitergeht, hängt auch davon ab, ob ich dann immer noch das Glück haben werde, auf eine so tolle Crew zählen zu können wie jetzt. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr.
Gibt es berufliche Ziele, die Sie noch erreichen möchten?
Ich träume immer noch von 18-Gault-Millau-Punkten oder einem zweiten Michelin-Stern. Das wäre die Krönung meiner Karriere. Am meisten aber hoffe ich, dass ich gesund bleibe und meine Gäste mit meinen Kreationen weiterhin glücklich machen kann.
Der sympathische Alleskönner
Armin Amrein wurde am 5. 10. 1955 in Kriens als ältestes von vier Geschwistern geboren. Er absolvierte eine Kochlehre und arbeitete danach an diversen Orten, bevor er von 1974 bis 2006 im Sommer als Küchenchef im Restaurant des 5-Sterne-Resorts «Bürgenstock» tätig war, wo er mit 17-Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet wurde. Schweizweit bekannt wurde er zwischen 1993 und 2005 durch die Auftritte als Fernsehkoch im «Coop-Mittwochstudio». Zwischen 2007 und 2012 kochte er im «Walserhof» in Klosters (17 Gault-Millau-Punkte, 1 Michelin-Stern) und bis 2015 in «Amrein’s Seehofstübli» in Davos. Seit dem Winter 2015/16 führt er in Davos sein eigenes Restaurant «Glow by Armin Amrein». Aus erster Ehe hat der Luzerner zwei erwachsene Töchter und ist Grossvater. Heute wohnt er mit seiner Frau Corina in der Bündner Herrschaft. Zusammen gehen sie Ski fahren, wandern, unternehmen Bike-Touren und Reisen.