Blick auf die Kleinstadt Lichtensteig, Kanton St. Gallen. © Keystone /Christian Beutler.

Der Wakkerpreis 2023 geht an …

Wie wärs mit einem Ausflug ins Toggenburg? Soeben hat der Schweizer Heimatschutz das Städtchen Lichtensteig SG mit dem diesjährigen Wakkerpreis ausgezeichnet.

Lichtensteig war über Jahrhunderte das wohlhabende städtische Zentrum im ländlichen Toggenburg. Hier wickelte man den regionalen Handel ab und produzierte für den nationalen und internationalen Markt Garn- und Baumwolltücher. Im 19. und 20. Jahrhundert war Lichtensteig ein wichtiger Marktort. Die Altstadt mit ihren Arkaden und Bürgerhäusern aus vergangenen Jahrhunderten gilt als nationales Kulturgut.

Doch diese Blütezeit liegt mittlerweile lange zurück. Ab den 1970er Jahren geriet die örtliche Wirtschaft ins Straucheln: Hunderte Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Dienstleistung verschwanden, die Bevölkerung schrumpfte bis vor kurzem beständig. Das Resultat waren im Stadtzentrum leerstehende Erdgeschossflächen und in dessen Umfeld unternutzte Industriebrachen.

Das Vorhaben, einen unerwünschten Erotikbetrieb in einer ruhigen Altstadtgasse einzurichten, brachte die Stadtbevölkerung auf und löste einen Prozess mit langfristigen Auswirkungen aus. Politik, Bevölkerung und Wirtschaft wollten den Leerstand nicht mehr hinnehmen und entwickelten neue Perspektiven zur Belebung der ungenutzten Bauten und Räume. Das Städtchen unterstützte dabei Initiativen, die Erdgeschosse und Brachen beleben und neue Wege entwickeln, um die richtigen Nutzungen von grösseren Flächen und Arealen zu finden.

Die Stadtverwaltung zog in ein leerstehendes Bankgebäude und schuf damit Raum für ein neues «Rathaus für Kultur». Aus dem alten Feuerwehrdepot wurde ein Kleiderladen. Das leerstehende Industriearal erhält als «Areal Stadtufer» eine neue Identität als partizipativ gedachter und gemischt genutzter kultureller Ort mit Ateliers, Gewerbe und Wohnraum.

Goldener Boden mit sanierter Pflaesterung und Platzsituation, fotografiert am Mittwoch, 21. September 2022 in Lichtensteig, Kanton St. Gallen. Mit dem Wakkerpreis 2023 wuerdigt der Schweizer Heimatschutz mit Lichtensteig eine Kleinstadt in einer eher strukturschwachen Region im Toggenburg, St. Gallen, in der sich Gesellschaft und Politik gemeinsam mit ebenso kreativen wie pragmatischen Loesungen fuer die Belebung der Altstadt und gegen die drohende Abwanderung einsetzen. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Goldener Boden mit sanierter Pflästerung und Platzsituation in Lichtensteig, Kanton St. Gallen. © Keystone /Christian Beutler

So gelang und gelingt es Lichtensteig, neue Menschen anzuziehen, Eingesessene zu halten und Kultur zu ermöglichen. Die einst so stolze Kleinstadt fand zurück zu ihrem alten Selbstbewusstsein und stärkt ihren Charakter als urbanes Zentrum in einer ländlichen Region. Heute nennt sich Lichtensteig bewusst mehrdeutig «Mini.Stadt». Diese Strategie ist jedoch kein Projekt mit einem Enddatum, sondern will ein angestossener Prozess mit Zukunftspotenzial sein. Denn die Herausforderungen bleiben: Die Klubschule Migros hat kürzlich ihren Standort geschlossen; der grösste Laden der Innenstadt, ein Möbelgeschäft, zieht aus.

Mit der Vergabe hat die Wakkerpreis-Jury den Einbezug der Bevölkerung und den Mut zu vielfältigen Umnutzungen von historischen Gebäuden gelobt und gewürdigt.

Sehen Sie selbst: Vor Ort im Toggenburg oder im Internet unter wakkerpreis2023.ch

Was ist der Wakkerpreis

Der Schweizer Heimatschutz vergibt jährlich einer politischen Gemeinde den Wakkerpreis. Erstmals ermöglicht wurde der Wakkerpreis 1972 durch ein Vermächtnis des Genfer Geschäftsmannes Henri-Louis Wakker an den Schweizer Heimatschutz. Der Wakkerpreis zeichnet Gemeinden aus, die bezüglich Ortsbild- und Siedlungsentwicklung besondere Leistungen vorzeigen können. Hierzu gehören insbesondere das Fördern gestalterischer Qualität bei Neubauten, ein respektvoller Umgang mit der historischen Bausubstanz sowie eine vorbildliche Ortsplanung, die Rücksicht auf die Anliegen der Umwelt nimmt.

www.wakkerpreis.ch

Beitrag vom 16.01.2023

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