Königliche Diven
Pfingstrosen verlangen ihren Hüterinnen und Hütern Geduld ab, belohnen die Langmut jedoch mit einer Blütenpracht, die einzigartig ist. Das zeigt sich insbesondere im Mai, wenn sie die Beete mit Poesie und Farbenpower füllen.
Text: Roland Grüter
Wie vergänglich Schönheit ist, zeigt sich eindrucksvoll in den gepflegten Beeten der Hobbygärten. Darin entfalten demnächst Strauchpfingstrosen ihre Knospen. Kelch- und Kronblätter formieren sich zu zarten Pompons, als hätte sie eine Künstlerin sorgsam ineinander geschichtet. Doch bereits nach wenigen Tagen beginnt die Pracht zu welken. Dann genügt ein kleiner Windstoss, um sie gänzlich zu zerfleddern.
Kurz aber prachtvoll
Die kurze Blust hielt einst hiesige Naturfreundinnen und Naturfreunde davon ab, ihre Beete mit reichlich Pfingstrosen zu bestücken. Im Osten aber, insbesondere in China, wird diese Eigenheit als Stärke gesehen. Sie mahnt Menschen an, selten schöne Momente zu geniessen, ohne sie festhalten zu wollen.
Dort werden Päonien, so die lateinische Bezeichnung der Diven, seit rund 4000 Jahren gezüchtet und verehrt. Sie gelten als Sinnbild für Liebe, Glück, Wohlstand und Vollendung, als einzig wahre «Kaiserliche Blume». Diese Faszination schwappte Anfang der 1990er-Jahre in den Westen über, als sich das Reich der Mitte öffnete und zahlreiche unbekannte Arten und Sorten nach Europa gelangten. Die botanischen Immigrantinnen bescherten dieser Gattung einen regelrechten Boom. Sie umfasst 33 Wildformen.
Zu Beginn der 1990er-Jahre entstand auch der 650 Quadratmeter grosse Pfingstrosengarten auf dem Campus Grüental in Wädenswil ZH der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Darin wurzeln 250 Arten und Sorten und malen die Kulturgeschichte dieser Pflanzengattung in bunten Farben aus – und lassen die vielen Besucherinnen und Besucher dieser Anlage immer wieder aufs Neue staunen. In der Schweiz sind vor allem die Staudensorten verbreitet. Diese stossen ihre Blätter vor dem Winterschlaf ab. Weit weniger bekannt sind die verholzenden Strauch- oder Baumpfingstrosen. Mitte des 20. Jahrhunderts gelang es dem japanischen Züchter Toichi Itoh sogar, Stauden- und Sträucherpfingstrosen zu kreuzen. Er hat damit die sogenannten Itoh-Hybriden begründet. Dabei handelt es sich um robuste Pflanzen, die ausgesprochen leuchtende und grosse Blüten tragen – manche spannen sich über 25 Zentimeter. Ihre Pflegeleichtigkeit und Blütenpracht machen sie äusserst beliebt. Der spezialisierte Fachhandel bietet ausserdem Wildarten an, die ausschliesslich auf der nördlichen Hemisphäre in freier Natur wachsen.
Schnecken verschmähen sie
Zwar stellen die vielen verschiedenen Vertreterinnen keine grossen Ansprüche an ihren Unterhalt, im Gegenteil: Sie gelten als unkompliziert und genügsam. Was sie von ihren Besitzerinnen und Besitzern jedoch abverlangen, ist Geduld. Manchmal brauchen sie drei bis vier Jahre, bis sie reichlich Blüten tragen. Und fühlen sie sich an ihrem Standort nicht wohl, wachsen an den Trieben nur Blätter. Das passiert leider oft in Töpfen, denn in der Enge fühlen sich die Stauden unwohl. Sie wollen ihre Wurzeln in die Tiefe treiben, und werden sie darin gehindert, bekommen sie schlechte Laune und geizen mit ihrer Pracht. Einst wurden Pfingstrosen für ihre inneren Qualitäten bewundert. Sie galten über Jahrtausende als wahre Multitalente der Naturheilkunde und wurden gegen allerlei Gebresten eingesetzt, gegen Hämorrhoiden genauso wie gegen Herzrasen.
So pflanzen Sie Pfingstrosen richtig
Päonien lieben sonnige Plätze – und Freiraum. Wer sich eine dieser prächtigen Kurzblüherinnen in den Garten holen will, hier ein Tipp: Staudenpfingstrosen gilt es rund 3 bis 5 Zentimeter in die Erde zu pflanzen, Strauch- und Baumsorten jedoch 10 bis 15 Zentimeter. Denn: Werden Staudensorten zu tief in die Erde versenkt, lassen sie in der Folge oft nur Blätter und keine Blüten wachsen. Will man alte Stauden umpflanzen, unbedingt die Wurzeln teilen, sonst wachsen sie am neuen Standort schlecht an.
Darauf verweist der Name dieser Gattung. Päonien sind nach dem griechischen Götterarzt Paian benannt. Dieser soll mit Hilfe einer Pfingstrose die groben Wunden des Gottes Pluton geschlossen haben, die sich dieser im Kampf mit Herakles zugezogen hatte und fast daran gestorben wäre. Es gibt durchaus auch handfeste Gründe, die für diese Pflanzengattung sprechen. Als der grosse deutsche Experte Carsten Burkhardt einst gefragt wurde, was er an Päonien besonders schätze, antwortete er kurz und knapp: «Weil sie die Schnecken nicht fressen und sie die Wühlmäuse nicht anknabbern.» Ein weiteres Plus, das die Schönheiten in die Beete tragen.
Infos zum Pfingstrosengarten der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil ZH finden Sie online unter zhaw.ch