Er kreierte die vergänglichen Kunstwerke «Ds blaue Bähnli» oder «Venus vo Bümpliz». Wenn er die Augen seiner Kundschaft zum Leuchten bringe, sei er glücklich. Wilfred Burri alias Knallfred ist leidenschaftlicher Feuerwerker.
Text: Usch Vollenwyder
Auf den Gestellen in Knallfreds kleinem Ladenlokal reiht sich Feuerwerk an Feuerwerk: Zuckerstöcke und Raketen, Sonnen und bengalisches Feuer, Konfettikanonen und Rauchartikel. Dazu Knaller wie Schweizer Kracher oder Frauenfürze; dem Zeitgeist entsprechend würden sie jetzt Lady-Crackers heissen, sagt Wilfred Burri, der von allen nur Knallfred genannt wird. Der schweizweit tätige Feuerwerker ist vor allem auf sogenannte «Töpfe» spezialisiert: Farben und Effekte werden zu besonderen Kompositionen zusammengefügt. Sie heissen «Bärner Müntschi» «Knallfreds Troum» oder «Pflanzplätz-Bouquet».
Knallfreds Hausmarke ist die «Bärner Bluemepracht». Dabei liess sich der Experte von den farbigen Blumen an den Hausfassaden und auf Berns Grünflächen inspirieren. In seinem Kopf entwarf er das Feuerwerk, er malte sich die Farben und Formen, die Höhe und die Effekte aus – bis er sich seine Eigenkreation bis ins letzte Detail vorstellen konnte. Für die Umsetzung all seiner Ideen ist die Feuerwerk-Firma Bugano im luzernischen Neudorf zuständig. Dort wird das gewünschte Paket nach den genauen Vorgaben zusammengestellt oder in China extra in Auftrag gegeben. Schliesslich sucht Knallfred den passenden Namen für sein neustes Werk – natürlich in Berndeutsch – und gestaltet die entsprechende Etikette.
Choreografien am Himmel
Bis vor sechs Jahren führte Wilfred Burri eine Drogerie am Waisenhausplatz in Bern, wo er auch Feuerwerk verkaufte. 2013 schnellte die Miete in die Höhe; Knallfred fand einen neuen Standort und machte sein Hobby zum Beruf. Mit seinem Feuerwerk beliefert er Firmen und Hotels, Botschaften und Verkehrsvereine, Golfklubs und Gemeinden. Er lässt Kometen steigen und Funken regnen – für Hochzeiten und Geburtstage, zu Silvester und zum Nationalfeiertag, für Familienanlässe und Jubiläen. Seine Kompositionen kosten zwischen 1500 und mehreren tausend Franken und zaubern bis zu zehn Minuten lang leuchtende Choreografien an den nächtlichen Himmel. Mit seinem Angebot ist Knallfred seit Jahren in der ganzen Schweiz präsent. Er übernimmt die professionelle Planung und Darbietung der Lichtershow, beurteilt den Abbrennplatz, entsorgt den Abfall und holt die öffentlichen Bewilligungen zur Durchführung ein. Das werde immer komplizierter, sagt Knallfred. Inzwischen umfasse eine Anfrage rund dreissig A4-Seiten: «Das ist mir zuwider.»
Als eidgenössisch diplomierter Drogist hatte Wilfred Burri sein Berufsleben lang mit Spagyrik, Homöopathie und Vitalstoffen zu tun. Immer habe er im «feinstofflichen» Bereich gearbeitet, sagt der 67-Jährige. Er ist fasziniert von der Tatsache, dass sich mit den gleichen Materialien – Mineralsalzen und weiteren chemischen Zutaten – auch «grobstoffliche» Resultate erzielen lassen: «rote, grüne oder weisse Farben, dazu Rauch und Knaller, Funken und Sterne». Zu seiner Beratungstätigkeit als Drogist empfand er das Feuerwerken jeweils als Ausgleich: «Es bedeutete mir Ausbruch und Freiheit.»
Die Begeisterung am Feuerwerk lässt er sich aber nicht nehmen. «Damit auch anderen Menschen eine Freude zu machen, ist eine riesige Genugtuung.» Selber mag Knallfred am liebsten die «Goldene Palme», eine in Spanien hergestellte «Bombe», aus welcher der Stamm einer Palme mit sich entrollenden Palmblättern sprüht. Er weiss auch, was seine jüngste Kundschaft am meisten liebt: Jungen mögen «öppis, wo chlepft», in Blau und Gold, Mädchen «öppis, wo lüüchtet», in Silber und Pink. Dass vor allem Tiere unter der Kracherei leiden, ist ihm bewusst. Trotzdem wünsche seine Kundschaft sehr selten Feuerwerk ohne Knalleffekte: «Dabei ist das technisch problemlos möglich.»
Noch bis Ende Jahr steht Wilfred Burri alias Knallfred seinem Nachfolger Hans-Peter Krieg zur Seite. Danach will er sich ganz aus dem Geschäft zurückziehen und sich dem Golfspiel, seiner Gitarre und den Kollegen widmen. An der goldenen Konfirmation, die er vorletztes Jahr feierte, habe der Pfarrer an einem Papiermeter die 65 gelebten Jahre seiner ehemaligen Konfirmanden weggerissen und gefragt, wie alt sie wohl werden würden. Vielleicht 84 oder 85 Jahre, habe er gedacht. Also riss der Pfarrer auch die letzten fünfzehn Zentimeter seines Meters weg. Als Knallfred den verbleibenden kümmerlichen Papierrest sah, wusste er: «Ich liebe meinen Beruf zwar über alles, aber jetzt ist die Zeit für einen neuen Lebensabschnitt gekommen.» ❋
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