Bei Pro Senectute Kanton St. Gallen ergänzt ein Coaching für betreuende Angehörige die Palette der Hilfs- und Entlastungsangebote. Als erste Organisation leistet St. Gallen damit Pionierarbeit und kann Angehörige in ihrem wertvollen Engagement stärken und unterstützen.
Text: Annegret Honegger
«Hast du jemanden, der dich coacht?» Es war ein Segelfreund, der Hans Berger* diese Frage stellte. Diesem war sofort klar: «Ein Coach ist genau das, was ich brauche.» Seine Frau erhielt vor Kurzem die Diagnose Alzheimer. Hans Berger hatte sie nach einem schweren Unfall mit Hirnverletzung bereits einige Jahre betreut. «Über Alzheimer wusste ich wenig. Dafür hatte ich viele Fragen und machte mir Sorgen um die Zukunft», erinnert sich der 73-Jährige.
Angehörigen, die Menschen im AHV-Alter regelmässig betreuen, bietet Pro Senectute Kanton St. Gallen seit drei Jahren die Möglichkeit eines Coachings an. «Es gibt immer wieder komplexe Betreuungssituationen, in denen unsere bestehende Beratung an ihre Grenzen stösst», erklärt Claudia Müller, Leiterin des Fachbereichs Information und Beratung. Die grossen Veränderungen etwa bei einer schwerwiegenden Erkrankung stellen hohe Anforderung an Partnerinnen, Partner oder Kinder. Diese möchten ihren Angehörigen zwar den Wunsch erfüllen, möglichst lange in der vertrauten Umgebung zu bleiben. Aber oft übersteigt ihr Einsatz früher oder später ihre physischen und psychischen Kräfte. «Betreuende Angehörige stellen ihre eigenen Bedürfnisse meist lange Zeit hintan und glauben, alles alleine schaffen zu müssen», sagt Claudia Müller.
Dann kann ein «Coach» ein Wegbegleiter sein, der Betroffene – je nach Bedarf mehr oder weniger eng – unterstützt. Mit Hans Berger trifft sich Claudia Müller seit anderthalb Jahren zu Coaching-Gesprächen. Mal reden die beiden über schwierige Alltagssituationen, mal geht es um Finanzielles, mal um Informationen über die Krankheit oder über Entlastungsangebote. Hans Berger schätzt dies: «Oft hilft es mir bereits, wenn das Gegenüber mir zuhört und mich versteht, ohne die Probleme aufzubauschen oder zu bagatellisieren. Claudia Müller gibt Denkanstösse und bringt als Aussenstehende einen anderen Blickwinkel ein.»
Ein Coaching gibt Sicherheit
Im Zentrum, erklärt die Sozialarbeiterin mit Coaching-Diplom, stünden immer die Bedürfnisse und Gefühle der Klientinnen und Klienten. «Ich kann niemandem die Probleme abnehmen und habe keine fertigen Lösungen parat – aber viel Fachwissen und Erfahrung. Gemeinsam suchen wir nach Lösungen, die für die persönliche Situation stimmen.»
Zu wissen, dass er im Coaching Schwieriges mit Claudia Müller ansprechen könne, gebe ihm Sicherheit und Selbstvertrauen, sagt Hans Berger. Seit er sich coachen lasse, sei er ruhiger und schlafe wieder besser. «Weil ich die Zusammenhänge besser verstehe, überrollen mich meine Gefühle weniger als früher. Ich reagiere einfühlsamer und gelassener – und diese Gelassenheit überträgt sich auf meine Frau und unsere Beziehung.» Coaching, findet Hans Berger, sollte es in der ganzen Schweiz geben: «Die Gespräche helfen mir immer wieder, das ‘Gnuusch im Fadechörbli’ zu sortieren.»
* Name von der Redaktion geändert.
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