Beim Generationenvertrag geht es um die Sicherung der Altersvorsorge: Erwerbstätige zahlen ein in den AHV-Topf. Sonya Kuchen, Leiterin Fachbereiche bei Pro Senectute Schweiz, plädiert für eine Solidarität, die darüber hinausgeht.
Den Ausdruck Generationenvertrag höre ich immer wieder. Zwischen welchen Generationen besteht er? Was ist damit vertraglich geregelt? Die Finanzen? Oder eher moralische Verpflichtungen? Kann man diesen Vertrag einklagen, und inwieweit ist er verpflichtend?»
Mit dem Begriff «Generationenvertrag», so wie er in Politik und Öffentlichkeit verwendet wird, ist ausschliesslich die Finanzierung der Altersvorsorge durch die erwerbstätige Bevölkerung gemeint. Nach dem sogenannten Umlageverfahren zahlen die Arbeitnehmenden diese Beiträge in die AHV-Kasse. Daraus werden die Renten für die pensionierten Mitbürgerinnen und Mitbürger geschöpft. Der Generationenvertrag ist kein juristischer Vertrag und kann nicht eingeklagt werden.
Die demografische Entwicklung – mehr alte Menschen und weniger nachkommende Kinder – bringt es mit sich, dass immer weniger Erwerbstätige für die ständig grösser werdende Bevölkerungsgruppe der Pensionierten finanziell aufkommen müssen. Das führt zum aktuellen Ungleichgewicht zwischen einbezahlten Beiträgen und auszuzahlenden Renten. In der öffentlichen Diskussion werden die alten Menschen deshalb oft als finanzielle Last für die Nachkommenden empfunden.
Solche Sichtweisen führen zu Animositäten zwischen den Generationen und haben nichts mit den alten Menschen selber zu tun. Vielmehr ist es das System unserer Alterssicherung, das in einer langlebigen Gesellschaft nicht mehr funktioniert und deshalb korrigiert werden muss. Die Finanzierung der Altersvorsorge muss auf politischer und gesellschaftlicher Ebene diskutiert und angepasst werden.
Dabei geht oft vergessen, wie viel die ältere Generation zu einer gelingenden Gesellschaft beiträgt. Sie gehört vielfach zur kaufkräftigen, für die Wirtschaft wichtigen Bevölkerungsschicht und bezahlt Steuern – auch für das Schulsystem zum Beispiel. Ihr Engagement ist auf vielen Ebenen unentbehrlich: Sie leistet Freiwilligenarbeit in unterschiedlichsten Bereichen, sie pflegt Angehörige und hütet Grosskinder. Pensionierte Männer und Frauen erbringen für die Gesellschaft Leistungen in Milliardenhöhe.
Lieber als der Begriff «Vertrag» ist mir das Wort «Solidarität» als Basis für die Beziehung zwischen den Generationen. Studien zeigen, dass diese Solidarität innerhalb der Familie gut spielt. Allerdings hat sich die Familienstruktur verändert: Die Wohnorte liegen oft weit auseinander, Frauen sind berufstätig, und mit dem Geburtenrückgang sorgen weniger Kinder für älter werdende Eltern. Man ist grundsätzlich gerne bereit zu helfen, doch vielfach fehlen die Möglichkeiten. Eine Kluft tut sich auf.
Diese Kluft muss anderweitig überbrückt werden. Eine Lösung sehe ich darin, dass die Zivilgesellschaft wieder vermehrt Solidarität zwischen allen Generationen lebt: Solidarität zwischen den Menschen, in der Nachbarschaft, im Dorf – Solidarität in der Gesellschaft. «Caring Community» ist ein Begriff, der an Bedeutung gewinnt: «Sorgende Gemeinschaften» übernehmen Verantwortung, unterstützen sich gegenseitig und schaffen eine lebensfreundliche Umgebung – für Kinder, Jugendliche, Familien und alte Menschen. Damit das möglich wird, braucht es Anleitung, professionelle Hilfe, politischen Willen und finanzielle Unterstützung.
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