Ferienerinnerungen 21. September 2020
Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder ist 69 Jahre alt. Als Angehörige der Risikogruppe erzählt sie jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von der norddeutschen Gelassenheit und dem Ferienende.
Eigentlich wollten wir Velos mieten und damit der Küste entlang pedalen und das Landesinnere erkunden. Aber wir lassen es bleiben: Der Wind weht immer – und immer von vorne. Wir können uns drehen und wenden wie wir wollen, wir stehen im Gegenwind. Manchmal ist er nur ein leises Lüftchen, manchmal donnern richtige Sturmböen auf uns zu. «Der Wind ist unsere Sonne», sagen die Einheimischen. So gesehen erleben wir den sonnigsten Urlaub überhaupt.
Also gehen wir zu Fuss, stundenlang und kilometerweit. Die angelegten Wege führen über die Deiche und durch die Dünenlandschaft, über Stege ans Meer und durch den zum Schutz der Küste aufgeforsteten Kiefernwald. Wer unterwegs ist, muss sich den Weg mit anderen teilen: mit sportlichen Velofahrern und Spaziergängerinnen mit und ohne Hund, mit Joggerinnen, Wanderern und Nordic Walkern. Friedlich kommt man aneinander vorbei, viele grüssen mit «Guten Tag», einem «Hallo» oder dem landesüblichen «Moin».
Auch am Strand herrscht eine friedliche Stimmung: Bunte Drachen steigen hoch in den Himmel, geschickt gelenkt von Jungs jeden Alters. In den Wellen tummeln sich Schwimmerinnen neben Windsurfern, und am FKK Strand wird nahtlos gebräunt. Gleich daneben beginnt die Hundezone, vom Windhund bis zum Mops toben ausgelassene Vierbeiner. Liegt es an den Ferien? An der Urlaubsregion? Die einzige Herausforderung ist die deutsche Müllabfuhr, die den Abfall in Bio-, Verpackungs-, Restmüll sowie Papier und Karton getrennt und in entsprechend farbigen Tonnen gesammelt haben will. Gäbe es die Nachrichten nicht, ich würde mich in einer heilen Welt wähnen – ohne Waldbrände an Amerikas Westküste, ohne Flüchtlingsdrama auf Lesbos, ohne weltweites Corona.
So bin ich denn wehmütig und auch ein bisschen traurig, als die Ferien zu Ende gehen. Der letzte Morgen, der letzte Hundespaziergang auf der Deichkrone, die letzte Friesenschnitte aus der Kalle-Bäckerei – dann wird das Auto gepackt. Kilometer um Kilometer fahren wir südwärts, erholt und voller Erinnerungen. Möge kommen was wolle, ich werde versuchen, möglichst viel von der in den Ferien neu gewonnenen Heiterkeit und Gelassenheit in den Alltag hinüber zu retten. Ich bin für den Herbst und Winter gerüstet.