Unsere Altersvorsorge scheint vorbildhaft zu sein: AHV und zweite Säule geben materielle Sicherheit, das gut ausgebaute Gesundheitswesen steht allen offen. Trotzdem zeigen sich Schwachstellen – vor allem bei Betreuung und Pflege.
Text: Kurt Seifert
Obwohl wir in einem der reichsten Länder der Welt leben, geht es nicht allen gut. Gemäss Erhebungen des Bundesamts für Statistik ist ein Fünftel aller alleine Lebenden im Alter von Armut betroffen – vor allem Frauen. Mehr als zwölf Prozent aller Altersrentnerinnen und -rentner sind auf Ergänzungsleistungen (EL) angewiesen. Man könnte argumentieren, das sei eine bedauerliche Minderheit. Doch auch für die mittelständische Mehrheit wird es zu einem Problem, wenn Kosten für die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung anfallen.
Eine Forschungsgruppe der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) unter Leitung des Sozialwissenschaftlers Carlo Knöpfel hat untersucht, wie viele finanzielle Mittel älteren Menschen für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Die Gruppe nahm die Situation in den 26 Kantonshauptorten etwas genauer unter die Lupe. Sie hat dabei festgestellt, dass in den meisten Orten lediglich die wohlhabendsten 20 Prozent der Altersbevölkerung die Pflegeheimkosten aus den laufenden Renteneinnahmen finanzieren können. Alle anderen müssen auf ihre Reserven zurückgreifen oder benötigen EL.
Die Betreuung im Alltag kann teuer werden
Die eigentlichen Pflegekosten im ambulanten wie im stationären Bereich werden weitgehend von Krankenkassen und Kantonen übernommen. Ausgaben für Alltagsunterstützung und Betreuung müssen aber von den Betroffenen selbst getragen werden – sofern sie nicht EL-berechtigt sind. Zu Beginn eines Prozesses, der durch zunehmende Hilfsbedürftigkeit gekennzeichnet ist, geht es aber vor allem um alltägliche Dinge wie Einkaufen, Putzen oder das Regeln administrativer Aufgaben, bei denen Unterstützung notwendig wird. Wer nicht über ein funktionierendes familiäres oder nachbarschaftliches Netzwerk verfügt, hat allfällige Kosten aus dem eigenen Portemonnaie zu berappen.
Einkommen und Vermögen sind höchst ungleich verteilt. Während beispielsweise ein Paar aus der Gruppe der 20 Prozent der Altersbevölkerung mit dem geringsten Einkommen über ein durchschnittliches Vermögen von etwas mehr als 25 000 Franken verfügt, liegt dieser Durchschnitt bei den obersten 20 Prozent bei mehr als 1,3 Millionen Franken. Deshalb ist auch die Belastung durch Ausgaben für Betreuung und Pflege sehr unterschiedlich spürbar. Bei jenen mit dem geringsten verfügbaren Einkommen springt das EL-System ein. Doch auch jene, die etwas besser gestellt sind, können durch die finanziellen Lasten des Betreuungs- und Pflegebedarfs an die Grenzen des Erträglichen geraten.
Die Politiker ist gefragt
In einer alternden Gesellschaft steht die soziale Sicherheit vor grossen Herausforderungen. Eine reiche Gesellschaft wie die Schweiz sollte diese Herausforderungen lösen können. Entscheidend ist, genau hinzuschauen, wo Lücken im System sind. Diese treten gemäss der erwähnten Studie vor allem beim zunehmenden Betreuungsbedarf auf. Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnis zu konkreten politischen Schritten führen wird. ❋
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