Der Kegelsport hat einen schweren Stand. Die Vereine sterben weg, die Kegelbahnen verschwinden, und der Nachwuchs bleibt aus. Der luzernische Kegelklub Seetal Gelfingen bildet die Ausnahme der Regel. Ein Trainingsbesuch.
Das Grundrauschen des Kegelns? Es ist dieser rhythmische, beruhigende Ton des Kugelrücklaufbandes, das unentwegt läuft und die Kugeln zurück an den Start bringt, zum «Abgabeladen». Das sanft vor sich her summende Förderband tut immer dasselbe – und passt auch deshalb bestens zum Kegelsport. Denn auch beim Kegelklub Seetal, der an diesem Donnerstagabend auf der Kegelbahn des Restaurants Sternen in Ballwil trainiert, gibt es nur ein Ziel: Konstanz. Jeder Wurf soll möglichst gleich ausgeführt werden, damit alle neun Kegel umfallen. Am Ende zählt der Schnitt, und nur wer einen Wert über acht Kegel erreicht, gehört zu den Besten. Einfach ist das nicht.
Adrian Furrer, 41 Jahre alt und der Grünschnabel unter den sieben Anwesenden, sagt, es habe ein halbes Jahr gedauert, bis er sich seinen Wurfablauf antrainiert hatte. Es geht dabei um Konzentration, Körperspannung («gerader Rücken, nicht auf die Kugel draufliegen», wie einer sagt), ruhige Bewegungen – und nicht zuletzt auch Ausgekegelt um Ausdauer. Oft absolvieren die Seetaler Kegelsportler 100 Schüsse pro Training – 25 am Stück. Ergibt total eine Tonne pro Arm. Kein Wunder, machen im Alter eines Tages der Rücken oder das Knie nicht mehr mit. «Die Muskulatur muss schon passen», sagt Beat Langenegger, 62-jährig, und der 74-jährige Hansruedi Faden, der Älteste im Bund, ergänzt: «Der Bauch sitzt leider auch nicht mehr so gut wie früher.»
Der Kegelsport leidet an «Überalterung». Die Mitgliederzahlen der beiden grössten Landesverbände, des Schweizer Sportkegler-Verbands und der Schweizerischen Freien Kegler-Vereinigung, sind im Vergleich zur Blütezeit Ende der 1990er-Jahre auf einen Bruchteil geschrumpft. Nachwuchs gibt es kaum. Der KK Seetal Gelfingen ist die grosse Ausnahme. Drei der sieben Teammitglieder sind 28, 29 und 41 Jahre alt. Nicht ganz unwesentlich dürfte dabei sein, dass Marius Langeneggers Eltern bereits im Klub waren, als er diesem vor acht Jahren beitrat. «Schon als Kind habe ich immer die Resultatblätter meines Vaters studiert und ihn auf die Misswürfe hingewiesen», sagt der 29-Jährige, der 2018 an den Schweizer Meisterschaften der «Freien» Kegler zu seiner eigenen Überraschung den zweiten Platz belegte. Die Konkurrenz war darob fast ausschliesslich erleichtert und erstaunt statt neidisch.
Marius Langenegger sagt, er habe viel von den erfahrenen Spielern gelernt. Man beobachte sich gegenseitig. Karl Herzog, 66, ergänzt: «Die Jungen führen uns allerdings auch unsere Fehler vor Augen.» Er sei trotzdem froh über die Blutauffrischung, das belebe den Klub. «Wir haben einen besonderen Zusammenhalt.» Damit der KK Seetal kein Einzelfall bleibt, hat die Schweizerische Freie Kegler-Vereinigung eine Kommission gegründet, die neue Mitglieder anwerben soll. Marius Langenegger gehört zum Team, das eine Frau leitet.
Wer im «Sternen» auf Jubelgesten, wuchtige Würfe und verbissene Gesichter hofft, wird enttäuscht. Alles geschieht kontrolliert, ruhig, unaufgeregt. Das ideale Wurftempo liegt bei 10 bis 12 Kilometern pro Stunde. Genauigkeit statt Kraft, so die Devise. Nervös wird einzig Hansruedi Faden, seit 40 Jahren im Klub, als er beim Kegeln fotografiert wird. Er bricht seine Wurfserie nach einigen (unglücklichen) Versuchen vorzeitig ab – und setzt sich entmutigt wieder an den Tisch am Kopf der Bahn. Kegeln bedeutet auch warten. Bei zwei Bahnen sind fünf Akteure zum Zuschauen gezwungen. Doch es gilt: Auch Beobachten macht den Meister. Im Raum herrscht eine gelöste, aber doch fokussierte Stimmung. Wenn jemand alle neun Kegeln abräumt («es Babeli»), ertönt auf der Anzeige eine Glocke, und man gratuliert rufend mit einem forschen «Holz!».
Auf Schnickschnack wird verzichtet. Das einzige Hilfsmittel ist ein Stück Kreide. Damit markieren die Kegler die Ausgangsposition ihrer Standes sowie die ideale Stelle, an der die Kugel «abgegeben» werden sollte. Sie liegt auf jeder Bahn woanders. Je nachdem benötigt die Kugel mehr oder weniger Drall, um alle Kegel abzuräumen. Wer genau hinschaut, erkennt eine Spurrinne in Form einer lang gezogenen Kurve. Womit auch das grösste Problem des Sports offensichtlich wird: Kegelbahnen kosten etwas und befinden sich meist in Beizen auf dem Land, von denen eine nach der anderen dichtmacht. «Daraus werden dann Zimmer, Bars oder Wäschereien», sagt Karl Herzog. «Dabei waren das einst schöne Bahnen, Gopf!» Er verhehlt nicht, dass es schmerzt, sein Hobby wegsterben zu sehen. Beat Langenegger sieht es pragmatischer: «Solange es Kegelbahnen gibt, wird es auch uns geben.»
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