Macht und Gier im Weissen Haus
Das satirische Dokudrama «Vice» wirft einen Blick in ein düsteres Kapitel der US-Politik und zeichnet die unglaubliche Karriere des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney nach.
Christian Bale hat schon vielen Figuren ein Gesichter auf der Leinwand gegeben: Beispielsweise einem Yuppie-Psychopathen in «American Psycho», der in seiner Wohlstandsentfremdung Leute umbringt, nur weil er das Gefühl hat, dass für ihn die gängigen Konventionen nicht gelten. Legendär die Strapazen, die er für seine Rolle in «The Machinist» auf sich nahm. Er verlor 28 Kilogramm und stand mit abgehungerten 54 Kilo vor der Kamera – eigentlich wollte Christian Bale seien Gewicht bis auf 45 Kilogramm runterbringen, aber das liessen die Filmemacher nicht zu. Für die nächste Rolle musste er dann massiv Muskelmasse aufbauen, schliesslich versteckte er sein Gesicht drei Mal hinter der Maske des Comic-Helden Batman.
Und 2018? Da spielt er den korpulenten Vize-Präsidenten Dick Cheney im satirischen Dokudrama «Vice», das vom Fachmagazin Hollywood Reporter schlicht als «Der beste Film des Jahres» bezeichnet wurde.
Wer auf die Idee gekommen ist, Bale für diese Rolle vorzuschlagen, muss entweder verrrückt gewesen sein oder über ein unvergleichliches Auge verfügen. Denn mit Hilfe der Maskenbildner gleicht der sonst eher ausgemergelte Schauspieler dem Politiker, der fünf Herzattacken hinter sich hat, sehr. Aber auch die weiteren Rollen in «Vice» sind mit Sam Rockwell als George W. Bush und Terry Tyler als Colin Powell hervorragend besetzt. Selbst die sonst eher fade Amy Adams spielt die von Ehrgeiz zerfressene Ehefrau Cheneys äusserst überzeugend.
Sachfragen sind Nebensache
Der für acht Oscars nominierte «Vice» bietet einen erschreckenden Einblick in die amerikanische Politik, die sich längst von Sachfragen verabschiedet hat. Es geht einzig um die Interessen der machthabenden Partei und keinen Moment lang um Land und Bevölkerung. Es wird gemauschelt, zugesteckt, verschachert, auf kaum einem Bazar geht es wüster zu. Gewisse Dinge mögen überspitzt dargestellt sein, aber die ohnehin eindrücklichste Szene im Film ist eine ganz unscheinbare: Der demokratische Präsident Jimmy Carter hatte als Zeichen des Aufbruchs in eine umweltfreundlichere, von erneuerbaren Ressourcen geprägte Zukunft Solarkollektoren auf dem Dach des Weissen Hauses montieren lassen. Eine der ersten Amtshandlungen seines Nachfolgers George W. Bush war es, die Solarzellen entfernen zu lassen, schliesslich waren seine «Freunde» dem Erdölsektor zugewandt.
Unschön ist auch, dass man mit Blick auf das aktuelle Geschehen in den USA das Gefühl eines Déjà-vu hat. Nicht das Wohl der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner scheint die Aktionen der republikanischen Präsidenten zu bestimmen, sondern die Partikulärinteressen der Sponsoren einer möglichen weiteren Amtsperiode. Dass die Umwelt mit Füssen getreten wird und die Schäden den späteren Generationen überlassen werden, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Der Skrupellosigkeit, mit der heute agiert wird, hat damals Dick Cheney Tür und Tore geöffnet – in «Vice» wird das Unfassbare nachgestellt.
«Vice», Drehbuch und Regie: Adam McKay, mit Christian Bale, Sam Rockwell und Amy Adams, DVD, Ascot-Elite