Kaum jemandem ist bewusst, dass in der Schweiz 30 Arten von Fledermäusen leben. Die geheimnisvollen, nachtaktiven Insektenjäger sind aber zum Teil sehr gefährdet.
Text: Esther Wullschleger Schättin
Lautlos huscht eine Fledermaus in der Abenddämmerung vorbei. Im ersten Moment hätte man sie für einen kleinen Singvogel halten können, der noch spät unterwegs ist. So schnell, wie der kleine Schatten gekommen ist, verschwindet er wieder.
Es handelt sich um eine Zwergfledermaus, die sich schon früh am Abend zeigt und mit 20 Zentimetern Flügelspannweite und kaum über acht Gramm Gewicht fast die kleinste der heimischen Fledermäuse ist. Sie zählt zu den häufigsten Arten und ist ein anpassungsfähiger Kulturfolger, der auch in Stadtquartieren zurechtkommt. Nächtlicher Beleuchtung gegenüber ist sie toleranter als andere Fledermäuse, sodass man Zwergfledermäuse manchmal im Umfeld einer Lampe Insekten jagen sieht, die vom Licht angezogen wurden.
Fledermäuse sind geheimnisvolle Tiere – nachtaktiv, eigenartig in Aussehen und Lebensweise und als einzige Säugetiere fähig, aktiv flügelschlagend zu fliegen. Ähnlich wie die Vögel sind sie zart gebaut, denn ein leichtes Skelett ist für den Flug wichtig. Doch ihre Flügel sind völlig anders gestaltet. Während die Fingerknochen der Vögel stark verkürzt sind, sind sie bei den Fledermäusen stark verlängert. Eine elastische Flughaut spannt sich zwischen den extrem langen Fingern, dem Körper und den Beinen der Fledermaus bis zum Schwanz auf. Einzig der kurze Daumen ist nicht in die Flughaut eingebunden, er hilft den Tieren, sich beim Klettern festzuhalten.
Zweitgrösste Familie der Säugetiere
So wenig vertraut sie den meisten Menschen auch sind, Fledermäuse zählen naturgeschichtlich zu den bedeutendsten Säugetieren. Mehr als 1300 Arten kommen weltweit vor – die nah verwandten Flughunde eingerechnet, die im tropischen und subtropischen Süden der Alten Welt leben und vor allem Früchte verzehren. Damit sind die Fledertiere nach den ebenfalls sehr artenreichen Nagetieren die zweitgrösste Verwandtschaftsgruppe von Säugetieren. In der Schweiz leben 30 verschiedene Arten, die als Insektenjäger mit der Fähigkeit zur Echoortung nachts auf Pirsch fliegen.
Der Grosse Abendsegler etwa jagt auf langen schmalen Flügeln pfeilschnell im offenen Flugraum – in einiger Höhe über den Baumwipfeln. Er stösst wie andere Fledermäuse Ultraschallrufe aus, um die Beute über die Wahrnehmung des Echos zu lokalisieren und blitzschnell zu erfassen. Manche Motten wiederum hören die Rufe des Abendseglers und lassen sich sofort aus dem Schallkegel fallen, sodass sie für den Angreifer nicht mehr wahrzunehmen sind. Der Abendsegler ruft in einem nicht sehr hochfrequenten Schallbereich; denn so erzielen seine Rufe eine grössere Reichweite, was beim schnellen Jagdflug im offenen Luftraum vorteilhaft ist. Dadurch ist sein Echo nicht so detailgenau wie bei manch anderen Fledermäusen, die langsam und äusserst wendig entlang oder in der Vegetation fliegen und dabei sehr hochfrequent rufen.
Rekordhalter in dieser Hinsicht ist hierzulande die Kleine Hufeisennase, welche mit Frequenzen bis um 115 Kilohertz winzig kleine Insekten in der Vegetation aufspürt. Wie andere Hufeisennasen trägt sie einen seltsam geformten häutigen Nasenaufsatz, der ihr Gesicht bizarr erscheinen lässt. Sie sendet ihre Echoortungsrufe durch die Nase aus, und das häutige «Hufeisen» hilft dabei, die Ultraschallrufe wie einen Richtstrahl in eine bestimmte Richtung zu bündeln.
Weibchen rücken ihre Kinderstuben zusammen
Tagsüber ruhen die Fledermäuse in Verstecken wie Ritzen oder Spalten an Bauwerken oder Felswänden, in Baumhöhlen oder ähnlichen Nischen. Wichtig sind auch Winterquartiere, in denen die Tiere Winterschlaf halten können (wobei offenbar einige Fledermausarten über den Winter in den Süden fliegen wie die Zugvögel). Die Weibchen bilden ab dem Frühjahr je nach Art grössere oder kleinere Kolonien, in denen sie gemeinsam ihre Jungen zur Welt bringen und aufziehen. Diese Wochenstuben können ein paar Individuen, mehrere Dutzend Tiere oder bei einigen Arten mehrere hundert Fledermäuse umfassen, die sich zusammenfinden.
Leider ist die grosse Mehrheit der einheimischen Fledermausarten gefährdet, die Grosse Hufeisennase, das Graue Langohr und das Kleine Mausohr sind in der Schweiz vom Aussterben bedroht. Unter anderem setzt ihnen der Rückgang ihrer Insektennahrung zu, aber auch der Verlust von Quartieren durch Gebäuderenovationen. Wie kaum ein anderes Wildtier nutzen viele Fledermäuse Nischen und Unterschlupfe an menschlichen Bauten. Besonders gefährdet sind allgemein «Dachstockfledermäuse», die in Dachstöcken oder Kirchtürmen Quartier beziehen. Die Hufeisennasen beispielsweise ruhen kopfunter an Dachbalken oder ähnlichen Strukturen hängend. Weitere Infos: www.fledermausschutz.ch
Fledermäuse als Blütengäste
Eine für Fledermäuse ungewöhnliche Ernährungsspezialisierung haben die Blütenfledermäuse Süd-und Mittelamerikas entwickelt. Sie suchen Pflanzenblüten auf, um mit ihrer extrem langen Zunge Nektar aufzusaugen, und wirken dabei als Bestäuber für die Pflanzen. Hunderte von Pflanzenarten verlassen sich auf diese Blütenbesucher. Die Blütenfledermäuse nehmen eine ähnliche Nische ein wie die Kolibris und können wie diese im Schwirrflug verharren, wenn sie Nektar saugen. Neben diesen Spezialisten gibt es eine Reihe weiterer Fledermäuse, die Pflanzenblüten bestäuben.
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