Auf musealer Entdeckungstour durch die Schweiz

Diesen Sommer können grosse Meister und namhafte einheimische Künstler in den Museen von Lausanne bis St. Gallen bestaunt werden. Welche Entdeckungen ebenfalls lohnenswert sind, zeigen wir auf dieser speziellen Tour de Suisse.

Text: Marco Hirt

Falls der Sommer doch noch richtig aufdrehen sollte und Hitzetage uns zum Schwitzen bringen, ist ein entspanntes Plätzchen zum Abkühlen mehr als gesucht. Museen sind ideale Zufluchtsorte vor heissen Temperaturen: Während der Körper keinen Stress hat, nicht zu überhitzen, profitiert der Geist vom anregenden Angebot. Und sollte die Sonne sich rar machen, kann man mit einem Museumsbesuch natürlich auch dem schlechtem Wetter entfliehen.

Starten wir unsere Tour de Musées Suisse: Eine Auswahl an Schweizer Museen und deren aktuellen Ausstellungen:

Meisterwerke in Lausanne und Martigny

In Lausanne beschenkt sich die Fondation de l’Hermitage zu ihrem 40-jährigen Jubiläum mit einer besonders prachtvollen Ausstellung: Gemälde von Impressionisten wie Auguste Renoir, Paul Cézanne, Eugène Boudin oder Paul Gauguin werden in Partnerschaft mit dem Museum Langmatt in Baden gezeigt. Die dortige Villa Langmatt, die bis 2026 gesamtsaniert wird, beherbergt für gewohnt diese Meisterwerke, welche vom Industriellen-Ehepaar Sidney und Jenny Brown-Sulzer zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammengetragen wurden. Das von Landschaften und Stilleben dominierte Ensemble mit über 60 Gemälden, eine der frühesten und bedeutendsten Impressionistensammlungen der Schweiz, ist erstmals ausserhalb ihres Standorts zu sehen.

  • «Meisterwerke des Museums Langmatt», Fondation de l’Hermitage, Lausanne
    Bis 3. November 2024 (Dienstag bis Sonntag)
    fondation-hermitage.ch
Auguste Renoir, La barque, 1878.
Auguste Renoir, La barque, 1878. Museum Langmatt, Baden. Foto: Peter Schälchli

Auf zwei Meister der französischen Malerei konzentriert sich die Fondation Pierre Gianadda in Martigny: «Cézanne – Renoir: Regards croisés». Die beiden Künstler werden hier anhand einiger ihrer Werke gegenübergestellt und in einen spannenden Dialog gebracht. Ausgangslage dafür sind rund 60 Gemälde aus den Sammlungen der Pariser Museen Orangerie und Orsay. In die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung war auch der Gründer der Fondation, Léonard Gianadda, noch involviert. Er starb zwar im Dezember 2023 mit 88 Jahren, war bis zu seinem Tod aber sogar noch in die Planung der kommenden drei Jahre miteinbezogen. Der Walliser Kunstmäzen, Architekt und Bauunternehmer hatte die Fondation 1978 im Gedenken an seinen früh verstorbenen Bruder Pierre (38) eröffnet.

  • «Cézanne – Renoir: Regards croisés», Fondation Pierre Gianadda, Martigny
    Vom 12. Juli bis 19. November 2024 (täglich)
    gianadda.ch

Anker in Ins, Bronze in Bern

Ein Bauernhaus mit äusserst kostbarem Innenleben: Das befindet sich in Ins im Berner Seeland, dem Heimatort von Albert Anker. Und gibt nach einer sanften Renovation noch mehr Einblicke: Seit Kurzem sind nun auch das frühere Wohnhaus im Erdgeschoss zu besichtigen, welches die gutbürgerliche Wohnkultur der Familie mit weitgehend originaler Innenausstattung vermittelt. Die grosse Attraktion des Centre Albert Anker bleibt weiterhin das Dachgeschoss mit seiner Mal- und Schreibstube, eines der letzten im Originalzustand erhaltenen Künstlerateliers des 19. Jahrhunderts. Dort befindet sich auch die Dauerausstellung, die verschiedene Stationen seines Lebens vertieft.

Albert Anker, Lagune bei Venedig, Öl auf Leinwand, Centre Albert Anker,
Albert Anker, Lagune bei Venedig, Öl auf Leinwand, Centre Albert Anker, © Barbara Hess, Muri b. Bern

Platz für Wechselausstellungen gibt es nun im neugeschaffenen Kunstpavillon im Garten: «Licht des Südens» zeigt bis 29. September 2024 eine eher unbekannte Seite von Albert Anker – impressionistisch beeinflusste Aquarelle und Reiseskizzen, die während mehrerer Studienreisen in den Süden Europas, insbesondere nach Italien, entstanden sind.

  • «Licht des Südens» und Dauerausstellung, Centre Albert Anker, Ins BE
    Freitag bis Sonntag (Atelier und Wohnhaus nur mit Führung, online zu buchen)
    centrealbertanker.ch

Filmtipp: «Albert Anker – Malstunden bei Raffael»
Ausgangspunkt für eine Zeitreise, zu der Heinz Bütler in seinem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2022 einlädt, ist das Atelier des Künstlers. Dort lässt er u.a. von Musiker Endo Anaconda und Matthias Berlin, Ankers Ururenkel und Nachlassverwalter, das Schaffen von Albert Anker lebendig werden.

Gratis zu streamen auf PlaySuisse: playsuisse.ch/de/show/2787639

«Und dann kam Bronze!» im Bernischen Historischen Museum zeigt auf, wie wegen Rohstoffen wie Zinn und Kupfer ein weiträumiger Fernhandel und eine neuartige wirtschaftliche und kulturelle Vernetzung zwischen Europa, Vorderasien und Ägypten entstand. Dank den Bronzewerkzeugen wird auch die Landwirtschaft ertragreicher, doch gesellschaftliche Veränderungen sind die Folge, mächtige Eliten und Hierarchien entstehen. Kriegerische Konflikte nehmen jedoch zu, da erstmals hoch effiziente Waffen in Serie hergestellt werden. Das Eintauchen in diese Zeit mit all ihren Facetten wird begleitet von herausragenden archäologischen Objekten aus ganz Europa, inklusive der 2017 in Prêles im Jura entdeckten Bronzehand, die älteste in Europa bekannte Nachbildung eines menschlichen Körperteils in Bronze. Sie ist erstmals in Bern ausgestellt.

  • «Und dann kam Bronze!», Bernisches Historisches Museum, Bern
    Bis 21. April 2025 (Di bis So)
    bhm.ch

Heimspiel in Luzern, Kinderarbeit in Schwyz

Ugo Rondinone gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schweizer Künstler. Eine umfassende Retrospektive seines Schaffens widmet ihm das Kunstmuseum Luzern mit der Ausstellung «Cry Me a River». Diese ist für den in Brunnen geborenen und aufgewachsenen 59-Jährigen auch eine Liebeserklärung an seine alte Heimat. Denn vor mehr als 30 Jahren ist er nach New York umgezogen, lebt seit letztem Jahr nun aber wieder näher, hauptsächlich in Paris. Der Maler, Bildhauer und Fotograf inszeniert seine kulturelle Herkunft liebevoll und mit viel Heiterkeit, ebenso steht seine Liebe zum Material in Bezug zur legendären «Innerschweizer Innerlichkeit», für die traditionelle Materialien wie Bronze, Keramik oder Stein besonders wichtig waren. So verwundert auch der Ausstellungstitel nicht: Dieser verweist auf die unmittelbare Umgebung – die Reuss, die vor dem Kunstmuseum aus dem Vierwaldstättersee fliesst. Für die Ausstellung hat er auch zwei neue Gemälde realisiert, die den Blick auf den Vierwaldstättersee bei Tag und bei Nacht einfangen.

  • «Ugo Rondinone – Cry Me a River», Kunstmuseum Luzern
    Bis 20. Oktober 2024 (Di bis So)
    kunstmuseumluzern.ch
Ugo Rondinone, sechstermaizweitausendundvierundzwanzig, 2024, Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung.
Ugo Rondinone, sechstermaizweitausendundvierundzwanzig, 2024, Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung. Foto: Studio Rondinone

Einem düsteren und wenig erforschten Kapitel der Schweizer Geschichte widmet sich das Forum Schwyz mit «Arbeitende Kinder». Besonders in der Landwirtschaft unterstützten Kinder einst ihre Familien schon immer bei verschiedenen Tätigkeiten. Mit dem Aufkommen der Industrie wurden sie dann vor allem in den Textilfabriken als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, auch in der Schweiz. Sie arbeiteten viele Stunden, übernahmen gefährliche sowie gesundheitsschädigende Aufgaben und durften oft nicht in die Schule. Erst mit der Einführung des obligatorischen Schulunterrichts 1874 und der Annahme des Eidgenössischen Fabrikgesetzes 1877 wurde Schulbildung ein Grundrecht und die Arbeit von Kindern unter 14 Jahren in der Schweiz verboten. Dies verbesserte die Lage in gewissem Masse. «Vor allem in ärmeren und abgelegeneren Regionen waren Kinder jedoch weiterhin als Arbeitskräfte unverzichtbar für das wirtschaftliche Überleben von Familien», sagt Pia Schubiger, Historikerin und Kuratorin der Ausstellung. «Wie etwa die in Italien tätigen Tessiner Schornsteinfegerkinder oder die Schwabenkinder.» Im Museum zu erleben sind verschiedene historische Objekte, bildgewaltige Fotos, Dokumente, Medienstationen sowie Zeitzeugenaussagen – ja sogar zur Thematik passende Düfte können erschnuppert werden: etwa Heu und Mist (Landwirtschaft), Maschinenöl (Fabrik), Kohl im Keller (Heimarbeit) oder Russ (Kaminfegerkinder).

  • «Arbeitende Kinder im 19. und 20. Jahrhundert», Forum Schwyz
    Bis 27. Oktober 2024 (Di bis So)
    forumschwyz.ch

Landschaften in Winterthur, Textiles in St. Gallen

Mit den Niederlanden werden gemeinhin flache Landstriche von Dünen- und Küstengebieten verbunden – und nicht zuletzt Wasser so weit das Auge reicht. Diese Weite entspricht der Seherfahrung in den «niederen Landen». Entsprechend tief legten die Maler den Horizont in ihren Bildern, über dem sich der weite Himmel mit seinen bewegten Wolkengebilden ausbreitet. Prächtige Beispiele dazu aus dem niederländischen Barock zeigt das Kunst Museum Winterthur aus seiner Sammlung und fasst diese unter dem Titel «Low Land, New Heights» zusammen. Denn die Künstler des 17. Jahrhunderts schufen veritable Topographien ihrer Heimat, propagierten damit ein neues Bewusstsein für das eigene Land und die nationale Identität. Die Fluss- und Dorfansichten Jan van Goyens sind dafür ebenso repräsentativ wie die pittoresken Dünen- und Waldlandschaften Pieter de Molijns. Stolz waren die Holländer auch auf ihre weltumspannende Handelsmacht, die in den See- und Marinestücken eines Willem van de Velde zum Ausdruck kommt. Mit Jacob van Ruisdael schliesslich gewann die Landschaftsmalerei als Spiegel menschlichen Empfindens eine geistige Dimension.

  • «Low Land, New Heights», Kunst Museum Winterthur Beim Stadthaus, Winterthur
    Bis 22. September 2024 (Di bis So)
    kmw.ch
Richard Long (*1945 Bristol), River Avon Driftwood Line. 37 Pieces of Wood from the North bank of the River, 1978
Schwemmholz
Kunst Museum Winterthur, Dauerleihgabe der Sammlung Agnes und Frits Becht
(Niederlande), 2020
Richard Long (*1945 Bristol), River Avon Driftwood Line. 37 Pieces of Wood from the North bank of the River, 1978, Schwemmholz, Kunst Museum Winterthur, Dauerleihgabe der Sammlung Agnes und Frits Becht (Niederlande), 2020.

13 gedeckte Tische warten im Textilmuseum St. Gallen auf die Gäste. Doch obwohl die Ausstellung «All You CanNot Eat» (übersetzt: Alles, was du NICHT essen kannst) einem Restaurant nachempfunden ist, gibt es nichts zu verzehren. Auf Basis der Sammlung des Textilmuseums sind die Tische angereichert mit Objekten, die Künstler und Designerinnen zu Installationen rund um Essen und Trinken inspirierten. Kompositionen, die dem Zusatztitel der Ausstellung «Fake Food aus Stoff», alle Ehre machen. Verschiedene Zeitepochen, gesellschaftliche Klassen und Geschmäcker treffen hier aufeinander und treten in einen spannenden Dialog. Obwohl nichts Ess- oder Trinkbares aufgetischt ist, mundet diese kreative Zusammenstellung trotzdem sehr!

  • «All You CanNOT Eat», Textilmuseum St. Gallen
    Bis 13. Oktober 2024 (Di bis So)
    textilmuseum.ch
Beitrag vom 09.07.2024

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