Wie war und ist mein Leben? Was macht meine Biografie aus? Gibt es einen roten Faden, der sich durch die Jahre zieht? Im Kurs «Biografisches Schreiben» von Pro Senectute Graubünden in Chur geht es unter kundiger Leitung auf eine Reise zum ganz persönlichen Buch des Lebens.
Text: Annegret Honegger, Fotos: Nicola Pitaro
Bloss dreissig Sekunden: So lange hat man beim sogenannten «Elevator Pitch» Zeit, um seine Idee einem wichtigen Gegenüber zu präsentieren, das man zufällig im Lift trifft. Danach hält der Fahrstuhl – und man hat seine Chance genutzt oder vertan.
Der Mann im Aufzug ist im Kurs «Biografisches Schreiben» von Pro Senectute Graubünden ein Verleger, dessen Verlag die eigenen Lebenserinnerungen drucken würde – gespielt von Kursleiter Christian Ruch. Dieser mag es, seine Teilnehmenden etwas ins kalte Wasser zu werfen: «Bei dieser Übung mussten mir alle ihr Vorhaben kurz und knackig präsentieren.»
An vier Vormittagen nimmt der Journalist und Historiker die Teilnehmenden mit auf eine Reise in Richtung eigenes Buch. Sein Ziel: Die Schreibfreude wecken und die Angst vor dem leeren Blatt nehmen. «Nach dem Kurs sollen alle mit einem Konzept heimgehen und dem Wissen: Ich schaffe das!»
Einige in der Runde hegen schon länger Schreibpläne, haben nach der Pensionierung Zeit – und merkten, dass es mit der Umsetzung hapert. Eine Teilnehmerin formuliert, was auch andere erlebt haben: «Ich wollte viel zu viel und fühlte mich verloren. Der Kurs gibt mir Orientierung.» Ihr Sitznachbar findet: «Ich lerne viel – auch wenn ich sehe, wie andere das Schreiben angehen und welche Fragen und Probleme sie haben.»
Christian Ruch mit seinem breiten Fachwissen gibt Inputs und Rückmeldungen. Etwa mit elf Schreibtipps von «Lassen Sie sich von alten Fotos inspirieren » über «Setzen Sie sich einen Zeitrahmen» bis zu «Kill your Darlings ». Letzteres klingt so brutal, wie es ist, denn es geht ums Auswählen: «1000 Seiten will niemand lesen. Setzen Sie Prioritäten und Schwerpunkte, auch wenn Weglassen wehtut.»
Im praktischen Teil folgt auch in dieser Lektion ein Sprung ins kalte Wasser. «Verleger» Christian Ruch verlangt nun die Gliederung und die Kapiteltitel zum geplanten Buch – in zehn Minuten. Manche greifen sofort zum Stift und legen los, andere seufzen, runzeln die Stirn, stützen den Kopf in die Hände. «Seien Sie kreativ. Es gibt kein Richtig oder Falsch», ermuntert der Kursleiter.
Tatsächlich klingen die Vorschläge so, dass man in der Buchhandlung sofort zugreifen würde. «Kindheit in der Kriegszeit», «Eine Lehre fast ohne Lohn» oder «Die Suche nach dem richtigen Mann» machen ebenso neugierig wie «Die Silberne Hochzeit als Wendepunkt» oder «Zurück zu den Wurzeln mit sechzig». Der «Verleger» jedenfalls ist angetan: «Die Gliederung ist das Gerüst für das Haus, das Sie bauen wollen.» Bald schon würden die persönlichen Erinnerungen die leeren Räume beleben.
Nach zwei Stunden packen die Teilnehmenden ihre Unterlagen zusammen und verabschieden sich bis zur nächsten Woche. «Ich fühle mich beflügelt», sagt eine Teilnehmerin. Nicht nur bei ihr spürt man: Einige werden wohl noch am gleichen Abend in die Tasten greifen.
Biografien sind bedeutende Dokumente gelebter Geschichte. Viele möchten den Nachkommen ihre ganz persönlichen Lebenserinnerungen hinterlassen, doch es fehlt am Know-how. Im Schreib-Kurs unterstützt Sie eine Fachperson und Sie profitieren von Diskussionen in der Gruppe: Gemeinsam schreibt es sich leichter als einsam. Der Kurs «Biografisches Schreiben» ist im Herbst 2023 wieder geplant. Auskunft über dieses und andere Angebote bei Katrin Meier, Leitung Fachstellen Bildung und Sport, Mail katrin.meier@gr.prosenectute.ch, Telefon 081 300 35 10, gr.prosenectute.ch Angebote in Ihrer Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Sämtliche Adressen stehen vorne hier im Heft oder auf prosenectute.ch
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