Die Sexualmedizinerin Eliane Sarasin beantwortet Ihre Fragen zu Liebe, Partnerschaft und Sexualität – ohne Tabus und falsche Scham.
«Ich bin Anfang siebzig und merke seit einiger Zeit, dass meine Erektionen schwächer werden. Ich kann einfach nicht mehr so, wie ich will. Das belastet mich. Wenn ich mit meiner Partnerin schlafen möchte, mache ich mir Sorgen, ob es diesmal klappt, und dann geht vor lauter Druck oft gar nichts mehr, oder mein Penis wird wieder schlaff, sobald ich eingedrungen bin. Meine Partnerin sieht das relativ gelassen, aber mich stört es schon sehr. Ich möchte mich wie ein ganzer Mann fühlen können. Was raten Sie mir?» Bruno (72)
Ihr Penis zeigt sich nicht mehr so verlässlich wie früher. Er braucht vielleicht mehr Stimulation, um hart zu werden, verliert die Erektion schnell wieder oder bleibt ganz weich. Das geht vielen Männern in Ihrem Alter so, nur spricht fast keiner darüber. Umso mutiger finde ich, dass Sie dieses Schweigen brechen.
Gut die Hälfte aller Männer zwischen 40 und 70 Jahren leiden unter Erektionsstörungen. Je älter sie werden, desto eher sind sie davon betroffen. Oft gibt es dafür keine krankhafte Ursache, die Erektionsstörungen sind eine Folge des normalen Alterungsprozesses. Trotzdem empfehle ich Ihnen eine Untersuchung bei Ihrem Hausarzt oder Urologen. Denn Erektionsstörungen können auch auf eine beginnende Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einen Diabetes hindeuten oder eine Nebenwirkung von Medikamenten wie Blutdrucksenkern oder Antidepressiva sein. Dies sollte man erst einmal abklären.
Aus Ihren Zeilen spricht die Befürchtung, als Liebhaber nicht mehr zu genügen. Andererseits schreiben Sie, dass Ihre Partnerin mit Ihren Erektionsstörungen relativ gelassen umgeht. Hat sie Ihnen das gesagt? Können Sie mit ihr über das Thema sprechen? Haben Sie sich schon einmal darüber ausgetauscht, was Ihnen beim Sex besonders wichtig ist? Manchmal ändern sich erotische Wünsche mit zunehmendem Alter. Ich bin mir sicher, dass ein Gespräch Entlastung bringen könnte und auch den Druck, «funktionieren» zu müssen, reduziert. Vielleicht schätzt Ihre Partnerin ein zärtliches Streicheln und Zusammensein genauso wie einen harten Penis? Möglicherweise hat sie ja auch bei sich selbst körperliche Veränderungen bemerkt?
«Im Alter heisst die Devise: mehr spüren als machen.»
Sich als Paar solchen Fragen zuzuwenden, kann viel Intimität und Erotik erzeugen. Hinterfragen Sie die weitverbreitete Meinung, dass unsere Sexualität das ganze Leben lang wie zu Beginn der Beziehung bleiben soll, während wir selbst und unser Körper sich mit den Jahren stark verändern. Im Alter heisst die Devise «mehr spüren als machen» – was den sexuellen Genuss überhaupt nicht schmälern muss.
Einen Jungbrunnen für den Penis gibt es leider nicht, aber Sie können auf eine gute Durchblutung des Beckens achten. Förderlich ist dafür ein gesunder Lebensstil mit regelmässiger körperlicher Bewegung und ausgewogener Ernährung, um Übergewicht und Arteriosklerose vorzubeugen. Arterienverkalkung schränkt nämlich nicht nur die Durchblutung des Herzens ein, sondern auch jene des Penis. Verzichten Sie auf Nikotin und stimulieren Sie Ihren Penis regelmässig, sei das beim bewussten Berühren unter der Dusche oder bei der Selbstbefriedigung. Auch Beckenboden-Physiotherapie kann hilfreich sein.
Seit Ende des letzten Jahrhunderts gibt es zudem Medikamente, die vielleicht auch für Sie in Frage kommen. Viagra und seine Nachfolger können älteren Männern ermöglichen, wieder eine stabile Erektion zu haben. Da diese Medikamente rezeptpflichtig sind, braucht es zuvor das Gespräch mit der Hausärztin oder dem Urologen. Wenn Sie an einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, kann die Einnahme gefährlich sein. Ausserdem ist es wichtig, dass der Arzt Sie über den Zeitpunkt der Einnahme, die Wirkungsdauer und zu erwartenden Nebenwirkungen informiert. Manche Männer getrauen sich nicht, ihren Hausarzt auf das Thema anzusprechen und bestellen die Medikamente aus dubiosen Quellen im Internet. Davon rate ich Ihnen ganz dringend ab. Denn so wissen Sie weder, was in den Pillen drin ist, noch, ob Sie sie überhaupt vertragen.![]()
Lektüretipp: Michael Sztencs Buch «Klappt’s? Vom Leistungssex zum Liebesspiel – ein Übungsbuch für Männer».
- Hier lesen Sie ein Interview mit unserer Expertin, und hier finden Sie die anderen Beiträge dieser Rubrik.
- Mehr zum Thema Liebe und Sexualität finden Sie in unserem Dossier: «Liebe ist…»
Haben Sie eine Frage zu Liebe, Partnerschaft und Sexualität? Schreiben Sie an Redaktion Zeitlupe, Bettgeschichten, Aurorastrasse 27, 5000 Aarau, E-Mail: claudia.senn@zeitlupe.ch. Ihre Fragen werden anonym publiziert. Nicht veröffentlichte Fragen können leider nicht beantwortet werden.