Die Stimme als Passwort – was wie ein Wunschtraum klingt, ist bei manchen Dienstleistungsanbietern schon heute Tatsache. Doch die Bequemlichkeit hat ihren Preis, denn die Stimme verrät weit mehr als nur die Identität.
Sicherheit ist im digitalen Zeitalter ein kostbares Gut. Zwischen Software-Herstellern, Dienstleistungsanbietern und Kriminellen gibt es einen laufenden Wettbewerb. Um sicherzugehen, dass sich keine Schlawiner am Telefon Zugriff auf persönliche Daten oder Vermögenswerte verschaffen, werden Kundinnen und Kunden zum Beispiel aufgefordert, drei Fragen zur Identifikation zu beantworten: «Wie lautet ihr Geburtsdatum?», «An welcher Adresse wohnen Sie?» und «Wie hoch war ihr letzter Rechnungsbetrag bzw. Kontostand?».
Hin und wieder gibt es auch komplexere Fragen zu beantworten, deren Antwort man vielleicht nicht gerade bereit hat. «Dann kommt sich der Kunde vielleicht dumm vor, was weder für ihn noch den Berater angenehm ist», sagt Melanie Schefer Bräker, Head of Customer Care Residential & SME bei Swisscom.
Wäre es nicht toll, die Stimme des Kunden könnte als Passwort dienen? Für die Kundinnen würden die lästigen Fragen entfallen, für die Swisscom gäbe es eine Zeitersparnis von rund 30 Sekunden pro Gespräch, und die Identifikation des Kunden würde noch sicherer.
So setzt die Swisscom als erste Firma der Schweiz seit 2016 auf biometrische Stimmerkennung und weist deshalb die Anrufenden darauf hin: «Dieser Anruf wird zu Schulungszwecken aufgezeichnet. Zur künftigen Prüfung Ihrer Identität erstellt Swisscom zudem aus dieser Aufzeichnung ein Stimmenprofil.» Konkret geht das so: Wenn der Kunde spricht, misst Voiceprint verschiedene Stimmmerkmale wie zum Beispiel Frequenz, Geschwindigkeit, Aussprache, Akzent. Aus diesen zahlreichen Merkmalen entsteht ein individueller Stimmabdruck. Bei der Erfassung des Stimmabdrucks werden keine Gesprächsinhalte gespeichert, sondern nur Stimmmerkmale. Der Erstellung kann man widersprechen, was aber gemäss Melanie Schefer Bräker nur ein kleiner Teil der Kunden macht. Bei unter 16-Jährigen und Nicht-Schweizern wird aus Datenschutzgründen kein Stimmabdruck erstellt.
Das Datenschutz-Thema hat seinen Grund: Eine Stimme birgt über 200 000 individuelle Merkmale in sich und gilt als so einmalig wie ein Fingerabdruck! Doch aus der Stimme lässt sich weit mehr als nur die Identität ableiten, und deshalb investieren Firmen wie Google und Amazon viel Geld in die Entwicklung von Algorithmen, die die Stimme sezieren. So soll erkannt werden, ob jemand lügt, glücklich, wütend oder traurig ist und welche persönlichen Charakteristika man sonst noch mitbringt. Wer also der Erstellung seines Stimmenprofils zustimmt, weil es bequem ist und Zeit spart, öffnet hier eine Türe zu persönlichen Informationen, die weit über die Identifikation der Person hinausreichen. Die gleiche Technologie wird vielleicht bei anderer Gelegenheit genutzt, um darüber zu befinden, ob Sie kreditwürdig sind. Ob im Kontext mit der Erstellung eines Stimmenprofils oder der Zustimmung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die einem für die Nutzung eines Programms oder einer App immer mehr Eingriffe in die Privatsphäre abringen, ist es höchste Zeit, kritischer im Umgang mit persönlichen Daten zu werden und diese nicht einfach für Bequemlichkeit preiszugeben.
Swisscom distanziert sich klar von weiteren Verwendungszwecken: «Swisscom verwendet den Stimmabdruck rein für die Identifikation», so Melanie Schefer Bräker. Zugriffe auf den Stimmabdruck, der auf Servern in Rechenzentren von Swisscom gespeichert werde, seien zudem geschützt und erfüllen höchste Sicherheitsanforderungen.