Raus aus dem Alltag, um Neues auszuprobieren – Franz Ermel reist mit dem letzten Transatlantikliner von Hamburg nach New York.
Text: Franz Ermel
Der Moment hatte etwas Feierliches, als wir in Hamburg an Bord der «Queen Mary 2» gingen – vor allem die Vorstellung, erst wieder in New York festen Boden unter den Füssen zu haben. Es würde zwar noch einen Zwischenstopp in Southampton geben, dennoch startete unsere Reise hier.
Einmal mit dem Schiff nach Amerika reisen – diesen Traum hatte ich seit Langem gehegt. Die Gelegenheit, ihn auch zu erfüllen, kam eher zufällig: Als ich einen Freund aus Schultagen traf und wir feststellten, dass eine Atlantiküberquerung bei beiden auf der Bucket List stand. Wenige Wochen später hatten wir gebucht.
Der letzte Transatlantikliner
Für unser Vorhaben kam von Anfang an nur die «Queen Mary 2» in Frage. Sie ist der letzte Transatlantikliner, der regelmässig zwischen Southampton und New York verkehrt. Und sie hat noch heute mehr mit der «Titanic» als mit einem modernen Kreuzfahrtschiff gemein – was mir sehr entgegenkam, denn ich habe mit einer Fahrt nach Amerika nie Jubel, Trubel, Heiterkeit von früh bis spät verbunden. Dann eher schon Flanieren auf dem Promenadendeck und Tea Time mit Scones und Erdbeermarmelade.
Tagelang auf See, ist das nicht eintönig? Meine Antwort: im Gegenteil! Denn die Fahrt mit dem Schiff ist eine eigentliche Zeit-Reise. Man kann sich für alles Zeit nehmen – aus dem einfachen Grund, weil man sie hat. Beim Frühstück («Bitte noch ein Rührei!»), beim Lesen («Schon wieder mit einem Buch durch!»), beim Kartenspiel («Vielleicht noch eine Runde?»). Kommt dazu: Die meisten Tage ab Bord haben 25 Stunden – weil man ja nach Westen fährt und bis New York schliesslich sechs Stunden gewinnt.
Man hat aber nicht nur die Zeit, Dinge zu tun, man hat auch die Zeit, überhaupt nichts zu tun. An Deck zu flanieren und stundenlang auf das Meer hinauszublicken, da einen Sturmtaucher zu beobachten, dort einen Wal springen zu sehen … einfach grandios. Ich weiss seither: Ich möchte nie wieder anders nach Amerika reisen.
Allerdings beschleicht mich immer häufiger eine ganz andere Frage: Möchte ich überhaupt noch nach Amerika reisen?