Madeleine Boll, eine der ersten Spielerinnen der Schweizer Frauen-Nati überhaupt, erzählt von den Anfängen des Frauen-Fussballs.
Aufgezeichnet von Maximilian Jacobi
«Mit 12 Jahren hätte ich nicht gewagt, mir auszumalen, dass eine EM der Frauen hier in der Schweiz stattfindet. Oder dass auf meinem Heimrasen in Sitten Weltklasse-Frauenfussball gespielt wird. Und am wenigsten, dass man das EM-Maskottchen «Maddli» nach mir benennt.
Die Bedeutung meiner Geschichte war mir lange nicht bewusst. Ich wuchs in einem 1000-Seelen-Dorf im Wallis auf. Nie habe ich entschieden: «Ich möchte Fussball spielen.» Ich tat es einfach, mit Kindern aus meinem Dorf.
Einmal begleitete ich meinen Freund Gilbert zum FC Sion und tschuttete mit. Der Trainer erkannte mein Talent und nahm mich auf. Mit 12 erhielt ich so eine Spieler-Lizenz – der schönste Tag meines Lebens. Bei einem Match 1965 fiel ich Journalisten auf. «Darf Madeleine mit den Buben spielen?», titelte der «Blick». Daraufhin entzog mir der Fussballverband die Lizenz. Davor hatten die Funktionäre nicht bemerkt, dass ich ein Mädchen bin.
1968 gründete ich mit anderen Spielerinnen den FC Valère, den ersten Frauenclub in Sitten, den mein Vater präsidierte. Als Gärtner hatte er den Rasen im Sittener Stade de Tourbillon angesät. Und ich trainierte und spielte darauf.
Heute erzähle ich meine Geschichte gerne. Meine Freundinnen und ich legten den Grundstein für den Schweizer Frauenfussball. Darauf sind wir stolz. 1970 stellten wir die erste Schweizer Frauen-Nati. Wir traten an gegen Italien, später Österreich und Frankreich. Uns begleiteten zwei bis drei Personen. Heute wird die Frauen-Nati von Ärzten, Trainerinnen, Physio- und Psychotherapeutinnen und Köchen unterstützt, insgesamt mehr als 20 Leuten.
Ich trommle gerade alle Nati-Spielerinnen von damals zusammen. Ich würde gern mit ihnen Raclette essen gehen und danach ein Spiel der Schweizer Frauen schauen – hier auf dem Rasen in Sitten, wo für mich alles begann.
Das Eröffnungsspiel und das Finale der EM werde ich sicher auch besuchen. Selber spiele ich seit 1979 nicht mehr. Trotzdem engagiere ich mich noch für Frauenfussball. 2000 wurde ich die erste weibliche Funktionärin in einem nationalen Komitee des Fussballverbands. Ironischerweise genau in der Abteilung, die mir 35 Jahre zuvor die Lizenz entzogen hatte.»![]()
Madeleine Boll (72) brach mit Konventionen. Zunächst wurde sie dank einer Unachtsamkeit des Schweizerischen Fussballverbands zur ersten lizenzierten Fussballerin weltweit. Später spielte sie in der ersten Frauen-Nati der Schweiz. Und wurde dadurch nebenbei zur ersten Star-Spielerin des Landes.
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