Pro Senectute Schweiz untersuchte, ob sich die Bevölkerung im Alltag aufgrund ihres Alters benachteiligt fühlt. Resultat: Die gefühlte Benachteiligung ist kein Massenphänomen, aber jede ist eine zu viel.
Erinnern Sie sich noch an das Unwort des Jahres 2014: «Dichtestress»? Der Begriff hat sich seither verselbständigt. Beim Pendeln, beim Einkaufen, in der Freizeit – überall scheint uns die Dichte zu stressen. Wenn in der Früh eine fröhliche, weisshaarige Wandergruppe den Zug besteigt, hört man nicht selten: «Könnten die Wandervögel nicht später verreisen?» Als Direktorin von Pro Senectute sage ich: «Nein. Ältere Menschen müssen, sollen und dürfen den Zug nehmen, der für sie Sinn macht. Sei es nun zu Stosszeiten oder nicht.»
Als Altersorganisation werden wir bei solchen Äusserungen hellhörig. Uns interessiert, wie es um das Ansehen der älteren Generation in der Öffentlichkeit bestellt ist. Wie ergeht es den Menschen in der zweiten Lebenshälfte mit der Digitalisierung oder auf dem Arbeitsmarkt? Nehmen sie in der Gesundheitsversorgung oder im Freizeitbereich Benachteiligungen wahr?
Antworten auf diese Fragen hat das Institut für Markt- und Sozialforschung gfs-zürich im Auftrag von Pro Senectute mit einer repräsentativen Umfrage bei 1300 Männern und Frauen im Alter von 18 bis 99 eingeholt. Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der zweiten Lebenshälfte bei den oben genannten Themen keine altersbedingte Benachteiligung wahrnimmt. Zudem zeigten sich – über alle Alterskategorien hinweg betrachtet – keine repräsentativen Unterschiede. Ältere Menschen fühlen sich zudem in der Öffentlichkeit sogar eher zuvorkommend behandelt und schätzen ihr Ansehen als positiv ein.
Betrachtet man aber die Ergebnisse bezüglich der Altersgruppen detaillierter, zeigt sich ein etwas anderes Bild, vor allem bei Personen im Alter 50+. Hier fühlt sich fast jede fünfte Person bei der Stellensuche benachteiligt. Für Pro Senectute Schweiz sind diese Zahlen alarmierend, da das Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess in den letzten zehn Berufsjahren das Risiko erhöht, im Pensionsalter von Altersarmut betroffen zu sein.
Hochgerechnet 180 000 Personen – d. h. etwas mehr als jede zehnte Person – im Pensionsalter geben zudem an, sich bei der Gesundheitsversorgung benachteiligt zu fühlen. Als Beispiele werden u. a. hohe Gesundheitskosten genannt. Einzelne der befragten Pensionierten fühlen sich zudem bei der Diagnose, Behandlung und Rehabilitation nicht ernst genommen oder sie haben das Gefühl, dass ihnen Behandlungen aufgrund des Alters vorenthalten werden.
Als neue Direktorin von Pro Senectute Schweiz stimmen mich die Umfrageergebnisse sowohl positiv als auch nachdenklich. Einerseits gilt es, das gute Ansehen der älteren Menschen in der Gesellschaft weiter zu stärken. Andererseits müssen wir die Situation auf dem Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen aufmerksam beobachten. Es ist mir zudem ein persönliches Anliegen, mich für jene Menschen einzusetzen, die ihren letzten Lebensabschnitt – unsichtbar für die Öffentlichkeit – in unwürdigen Verhältnissen verbringen. Denn jede Person, die sich ausgeschlossen oder benachteiligt fühlt, ist eine zu viel. ❋
Die detaillierten Umfrageergebnisse von gfs-zürich finden Sie in unserem Newsroom auf: prosenectute.ch/medien
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