Facebook, Twitter und Co. sind zu unentbehrlichen Kommunikationskanälen für Milliarden geworden. Doch wer ist für die darauf verbreiteten Inhalte verantwortlich? Sollen die Betreiber eingreifen und Unerwünschtes löschen?
Manche haben sich gewundert, warum der ehemalige US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr ein derartiges Aufhebens um die chinesische Internet-Plattform Tiktok gemacht hat, die in erster Linie Tanzvideos von Jugendlichen verbreitet. Viele Leute sahen darin einen weiteren Eskalationsschritt im Handelskrieg zwischen den USA und China, andere einen Racheakt des eitlen P.O.T.U.S. (President of the United States), weil freche Teenager eine Wahlveranstaltung Trumps via Tiktok zu einem Non-Event machten: Sie hatten online Plätze im Stadion reserviert, sind aber nicht erschienen. Besonders schmerzhaft dürfte die Erfahrung für den Ex-Präsidenten deshalb gewesen sein, weil er sich selber als grosser Social-Media-Nutzer sieht und die Welt mit seinen Twitter-Gewittern in Atem gehalten hat.
Vom Netzwerk Twitter wurde Trump im Januar für immer gesperrt. Warum? Nach dem unglaublichen Sturm von «Maga»-Anhängern (Maga = Make America Great Again) auf das Kapitol, angezettelt von Trump und seinem Filius Donald jr., geht für Twitter von präsidialen Tweets «eine zu grosse Gefahr aus, die zu weiteren Gewalttaten aufrufen könnte».
Im Kielwasser des Angriffs auf das Kapitol wurde auch das soziale Netzwerk Parler versenkt, das sich als eine Alternative für die Kurzmeldungsplattform Twitter anbot. Sprich: Die Beiträge von Rassisten, Verschwörungstheoretikerinnen und anderen zweifelhaften Erscheinungen wurden kaum gelöscht oder als «fake news» gekennzeichnet. Kollektiv haben Amazon, die Platz für Parlers Server boten, und die App-Stores von Google und Apple die Parler-App aus dem Angebot genommen und damit ein Zeichen gesetzt, dass Hass auf dem Internet unerwünscht ist.
Das Recht auf Meinungsäusserung
Dieses konzertierte Vorgehen von Google, Apple, Facebook & Co. und die Häufung von Eingriffen innerhalb von sozialen Netzwerken haben Missfallen von links bis rechts des politischen Spektrums provoziert. Viele sehen darin einen Angriff auf die Meinungsäusserungsfreiheit. Doch dem ist nicht so. Das in der Bundesverfassung verankerte Grundrecht, seine Meinung zu bilden und ungehindert zu äussern, gilt gegenüber dem Staat und seinen Organen und nicht privaten Unternehmen, wie es die US-Tech-Giganten sind.
Im Kontext der jüngsten Entwicklungen stellen sich aber sehr berechtigte Fragen wie: Sollen die Herren Jack Dorsey (Twitter), Mark Zuckerberg (Facebook) oder Sundar Pichai (Alphabet/Google) eigenmächtig darüber entscheiden, was über ihre Kanäle verbreitet werden darf? Wohl kaum. Bis anhin haben sie sich stets vor einer vergleichbaren Verantwortung gedrückt und sich lediglich als Betreiber von Plattformen definiert, die – anders als traditionelle Verlage und Betreiber von Radio- und TV- Stationen – nicht für die darauf verbreiteten Inhalte verantwortlich sind.
Es ist aber an den Tech-Riesen, die Geister, die sie riefen, in Zaum zu halten. Dafür müssen sie ihr Geschäftsmodell ändern, das in erster Linie auf Konfrontation basiert, weil so die Nutzenden möglichst lange online gehalten werden und sie ihre Daten laufend preisgeben (siehe Teil 2: Was steckt hinter sozialen Netzwerken, in der nächsten Ausgabe). Falls sich nichts ändert, werden wohl früher oder später Machtpositionen zerschlagen, wie sie Facebook – bestehend aus Facebook (2,7 Mia. Nut- zende), Whats-App (2 Mia. Nutzende) und Instagram (1,1 Mia. Nutzende) – oder Google und Apple mit ihren App-Stores innehaben und damit darüber entscheiden, was auf die Handys kommt. Entsprechende Vorstösse sind zurzeit in den USA und in Europa im Gange. ❋
Teil 2: Was steckt hinter sozialen Netzwerken? in Zeitlupe 3/21.
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