Auf attraktiven Websites locken Betrüger mit hohen Renditeversprechen Möchtegern-Anlegerinnen und-Anleger in die Falle.
Viel lieber schriebe ich über die tollen Möglichkeiten, die das Internet bietet, welche Angebote genutzt und entdeckt werden können. Doch es herrscht nicht immer Freude im World Wide Web. In Ausgabe 5/20 habe ich auf Phishing-Mails und andere Machenschaften hingewiesen, die sich die Coronakrise zunutze machen. Dieses Mal liegt der Fokus auf Online-Anlagebetrug.
Wer hat nicht schon vom schnellen Geld geträumt? Ohne Aufwand ein paar Tausend oder noch lieber einige Millionen verdienen? Als ich vor einer halben Ewigkeit auf der Bezirksanwaltschaft III der Stadt Zürich – die spezialisiert war auf Wirtschaftsdelikte –, mein Praktikum machte, gab es haufenweise Betrugsfälle. Ihnen waren zwei Dinge gemein: Die Opfer wurden immer mit der Aussicht auf hohe Gewinne in die Falle gelockt, und hätte man ein, zwei kritische Fragen gestellt, wäre die Sache ziemlich schnell aufgeflogen. Damals dienten gefälschte und mithilfe von Fotokopierern hergestellte «Bankgarantien» oder arg verschachtelte Firmenkonstrukte als Lockvogel. Heute sind es professionell aussehende Websites mit Anlagen in Kryptowährungen.
Journalisten der Neuen Zürcher Zeitung NZZ haben in diesem Sommer von einem internationalen Netzwerk berichtet, dem schon rund 1000 Schweizerinnen und Schweizer auf den Leim gekrochen sind. Allein im Kanton Zürich wurden fast 250 Strafverfahren in Zusammenhang mit den Online-Anlagebetrügereien eingereicht. Gesamte Deliktssumme: 46 Millionen Franken.
Vorsicht vor angeblichen Kundenberatern
Gemäss der NZZ läuft der Betrug folgendermassen ab: «Via Google oder über eine Anzeige gelangen die Anlegenden auf das falsche Handelsportal. Alles, was sie dort angeben müssen, sind Name, E-Mail-Adresse und Handynummer. Kurze Zeit später ruft ein angeblicher Kundenbetreuer an und überredet sie, einen kleinen Betrag zu überweisen. Schon bald macht die Investition auf dem Markt vermeintlich viel Gewinn. Die Kundenberater erhöhen den Druck, überreden ihre Opfer zu mehr Einzahlungen. Mit teilweise fatalen Folgen: Wer sein Geld ausbezahlt erhalten will, wird vertröstet. Oder noch stärker unter Druck gesetzt, um noch mehr zu investieren. Irgendwann brechen die Betrüger den Kontakt ab. Zurück bleiben gebrochene Existenzen. Denn das Geld der Opfer ist schon längst in einem gigantischen, global agierenden Geldwäscheapparat verschwunden. Nicht wenige verlieren so ihr gesamtes Erspartes.»
Um ihr fieses Geschäft vorwärtszutreiben, das auch mit Geldwäscherei in Zusammenhang gebracht wird, haben die internationalen Banden ganze Callcenter eingerichtet mit über 200 Angestellten. Diese führen akribisch Buch über die getätigten Gespräche. Gemäss Recherchen der schwedischen Zeitung «Dagens Nyheter» und dem Investigativnetzwerk OCCRP sollen in einem Callcenter in Kiew zynische Einträge über einen «Kunden» festgehalten worden sein: «Bei einem männlichen Betrugsopfer wurde etwa festgehalten, dass er bei einem Freund wohne, weil er kein Geld mehr fürs Essen habe. ‹Rufe ihn morgen wieder an›, hiess es weiter, ‹hat 400 000 verloren.›», schreibt die NZZ.
Was also tun gegen diese Betrugsmasche? Ehrlich zu sich selber sein. Was allzu schön klingt, um wahr zu sein, ist es auch. Gier ist ein mächtiger Treiber, der sich nicht auszahlt. Sollte eine gewisse Unsicherheit oder Skepsis auftauchen: Finger weg! Es kommt nicht von ungefähr, dass die vermeintlichen Anlagen in Kryptowährungen angeboten werden. In diesem komplexen und hoch volatilen Bereich blicken nur Fachleute wirklich durch. Hilfreich ist auch eine Google-Suche, die schnell Erfahrungsberichte von verärgerten «Kunden» aufzeigt, die ihr Geld verloren haben. ❋
Das Thema interessiert Sie?
Werden Sie Abonnent/in der Zeitlupe.
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
Um diese Website optimal bereitzustellen, verwenden wir Cookies.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Erfahren Sie mehr in der
Datenschutzerklärung.