Christian Cebulj (61) ist Professor und Prorektor an der Theologischen Hochschule Chur, wo er den Lehrstuhl für Religionspädagogik und Katechetik leitet. Seit zwanzig Jahren besucht Cebulj am 6. Dezember als Samichlaus Schulen und Familien. Einen Bart lässt er sich deshalb nicht wachsen.
Aufgezeichnet von: Flavian Cajacob
«Kinder brauchen Mythen, Jugendliche brauchen Logik. Als Samichlaus kann ich beide Bedürfnisse abdecken. Ich komme in die Schule oder in die Familie und bringe zwei Geschichten mit, die ich manchmal als kleines Theaterstück aufführe, früher sogar mit Playmobilfiguren. Jene, in der der heilige Nikolaus von Myra einem armen Mann und seinen drei Töchtern Goldtaler auf den Fenstersims legt – und jene, in der er Seeleuten in einem Sturm tatkräftig zur Seite steht. «Ihr könnt das auch in euer Leben transferieren», sage ich dann; «helfen, zueinander schauen, das geht auch heute noch!»
Ich will den Kindern nicht die Leviten lesen, sie nicht tadeln, schon gar nicht strafen. Auch mein Schmutzli ist ein ganz lieber. Den Eltern teile ich jeweils vor meinem Besuch mit, dass ich mich nicht als verlängerten Arm der Erziehungsberechtigten erachte. Da grummelt sicher auch der Religionspädagoge, der ich nun mal bin, durch den Bart: Der Samichlaus ist ein positiver Typ, er liebt die Menschen und vermittelt ihnen, dass Gott sie ebenfalls liebt. Egal, wie alt sie sind, egal, woher sie kommen, egal, welche Blutgruppe sie haben. Den Schnuller, den dürfen die Eltern ihrem Kind schon selbst abnehmen.
Der 6. Dezember ist für mich einer der schönsten Tage im Jahr. Zehn Besuche etwa stehen auf dem Programm. Und jeder einzelne ist besonders. Logisch freuen sich die Kleinen mehr über mein Erscheinen als die Teenies. Aber auch bei denen kann ich eine gewisse Neugierde wahrnehmen. Könnte ja sein, dass der Samichlaus tatsächlich etwas weiss, das nicht unbedingt an die Öffentlichkeit gehört! Neugier finde ich übrigens viel schöner als Ehrfurcht. Denn mit Furcht kann der Chlaus nichts anfangen.
Für viele Familien ist der Samichlausbesuch ein Ritual. Solange sie nicht zur Pflicht werden, sind Rituale wichtig, um die Gemeinschaft zu stützen. Ich war schon in Wohnungen, da haben jedes Jahr drei Generationen zusammengefunden, um sich gegenseitig zu beschenken. Wenn ich in solchen Momenten meinen Teil zu einer feierlichen, friedlichen Stimmung beitragen kann, dann ist das sicherlich der schönste Lohn für einen Samichlaus. Dann stimmt die «Performance».
Was der Samichlaus nach getaner Arbeit tut? Da ist er nicht anders als all die anderen Männer. Er setzt sich hin und gönnt sich ein schönes kühles Bier.
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