Karibische Klänge und tropische Temperaturen: Bei der Probe der Steelband-Gruppe von Pro Senectute Kanton Bern in Thun fliessen Schweiss und Glückshormone. Die glockenähnlichen Töne der Instrumente aus Trinidad tönen wie Ferien unter Palmen.
Text: Annegret Honegger
Am Anfang war das Fass. Die ersten Metalltrommeln entstanden aus ausrangierten Ölfässern, die auf der Insel Trinidad in den 1930er-Jahren wegen der Erdölproduktion zuhauf herumlagen. Heute versetzen uns die Klänge der «Steelpans», der modernen Nachfolger dieser einfachen Trommeln, auch in Europa direkt in die Karibik.
Etwa in Thun, wo das Wetter die Steelpan-Gruppe von Pro Senectute karibisch schwitzen lässt. Kein Lüftchen weht an diesem Montagmorgen im Proberaum, als sich die Band zum ersten Stück aufstellt. «Eins, zwei, eins, zwei, drei, vier» zählt Bandleaderin Silvia Balmer am Schlagzeug – und schon liegt Thun tatsächlich fast auf Trinidad.
«Ban Moin En Ti Bo» – kreolisch für «Gib mir ein Küsschen» – heisst ein Stück, dessen Leichtigkeit einen fast von selbst tanzen lässt. Viele spielen barfuss, wippen im Takt und strahlen vor Freude. Die Dirigentin verlangt trotz Ferienfeeling Konzentration auf den Rhythmus und die Noten. «Achtung, Auftakt nicht vergessen», mahnt sie, bremst manchmal mit «Vorsicht, nicht schneller werden!» und möchte «die Bässe bitte nochmals ab Takt 33» hören.
Je grösser die Steelpan, desto tiefer der Ton. Und je höher der Klang, desto mehr Tonfelder haben Platz auf der nach innen gewölbten Schlagfläche. Deshalb spielen die hohen «Soprane» auf eher flachen Instrumenten, auf denen sie viele verschiedene Töne erklingen lassen. Die etwas tiefere Stimme der «Guitars» bedient zwei mittelgrosse Pans. Und die Bassspieler, zuständig für die tiefsten Töne, stehen inmitten von sechs hüfthohen Fässern mit je drei Klangfeldern.
Dass diese Klangfelder mit Buchstaben beschriftet sind, die auch in den Noten stehen, ist ein Vorteil: So kann auch mitspielen, wer vorher nie ein Instrument lernte. Das schätzt etwa Edith: «Das gemeinsame Musizieren macht mir grossen Spass – dabei konnte ich anfangs nicht einmal Noten lesen!» In der Gruppe störe es zudem nicht, wenn man mal einen Ton verpasse, verrät die Frau an der Sopran-Pan. Teilnehmerin Sylvia, die karibische Musik seit ihren Ferienreisen kennt und liebt, ist ebenfalls begeistert: «Früher ging ich oft tanzen, aber leider machen meine Füsse nicht mehr mit.» Dank der Steelband könne sie wieder in der Musik schwelgen.
Der gesellige Teil in der Pause ist fast ebenso wichtig wie das Musikmachen. Im Chat wird bestimmt, wer jeweils etwas Feines für den Znüni-Tisch mitbringt. Via Chat tauscht die Gruppe auch Noten und Videos aus, damit daheim üben kann, wer mag. Vor allem die hohen Stimmen, welche die Melodie tragen, sind anspruchsvoll und die Kursleiterinnen Silvia Balmer und Jacqueline Baumgartner froh, wenn ihre Musikerinnen und Musiker sich auf die Proben vorbereiten.
An der Steelpan, erklärt Silvia Balmer, spielten auch stets die grauen Zellen mit. «Ein Instrument zu lernen und gemeinsam Musik zu machen, ist im Alter nachweislich etwas vom Besten für unser Gehirn», sagt sie und betont: «Hier steht das Miteinander im Zentrum – wir spielen ganz ohne Druck und Stress».
Nach dem Pausenschwatz geht es weiter durchs Repertoire mit «California Dreaming», «Monday Morning», «Mango Tree» oder «Que Sera». «Wenn wir ein Stück cool finden, dann arrangieren wir das für uns», sagt Jacqueline Baumgartner. Mit Instrumenten verschiedener Stimmlagen decke eine Steelband mehrere Oktaven ab und könne deshalb ganz verschiedene Stilrichtungen von Pop und Jazz über Calypso bis zur Klassik spielen.
Silvia Balmer und Jacqueline Baumgartner stecken jede freie Minute und viel Herzblut ins «Steelen» und freuen sich, dass ihr Angebot so gut ankommt: «Mit einer motivierten Gruppe wie dieser ‹fägt› es total, da lohnt sich jeder Schweisstropfen.» Nach anderthalb Stunden Probe sind aber nicht nur die Teilnehmenden, sondern auch die Kursleiterinnen bereit für einen Sprung ins karibische Meer – oder zumindest in den Thunersee.![]()
© Annegret Honegger
Steelpan-Gruppen bei Pro Senectute Kanton Bern
- Ölfässern karibische Klänge zu entlocken und gemeinsam Musik zu machen, macht Spass. Notenkenntnisse sind fürs «Steelen» keine Voraussetzung, Instrumente stehen zur Verfügung. Pro Senectute spannt für die Kurse mit dem Verein Steelband Steffisburg zusammen, den Silvia Balmer und Jacqueline Baumgartner leiten. Im «Steelorama» in Thun treffen sich eine Einsteiger- und eine Fortgeschrittenen-Gruppe zur Probe, jeweils am Dienstag- bzw. Montagmorgen. Schnupperprobe
für Interessierte: am 16. Dezember, Einsteigerkurs ab Januar 2026.
Informationen: Pro Senectute Kanton Bern, Beratungsstelle Thun: Telefon 033 226 70 70, Mail
b+s.oberland@be.prosenectute.ch, www.be.prosenectute.ch
- Angebote in Ihrer Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Adressen via prosenectute.ch oder Infoline 058 591 15 15