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Leinenpflicht in der Brut- und Setzzeit

Viele einheimische Wildtiere pflanzen sich in den Frühlingsmonaten fort. Während dieser Brut- beziehungsweise Setzzeit werden Hundehaltende in einigen Kantonen dazu verpflichtet, ihre Vierbeiner im Wald an der Leine zu führen. 

Portrait von Christine Künzli, MLaw und stv. Geschäftsleiterin und Rechtsanwältin bei der Stiftung Tier im Recht.
Christine Künzli*

Die Frage, wann Hunde anzuleinen sind, wird von Kanton zu Kanton unterschiedlich beantwortet. In den Frühlingsmonaten, in denen viele Wildtiere setzen und brüten, sehen zahlreiche Kantone zum Schutz des Wildes strenge Vorschriften für das Ausführen von Hunden im Wald vor. Jeder Kanton setzt die Leinenpflicht für die Brut- und Setzzeit selber fest.

  • So müssen beispielsweise in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Solothurn sowie Luzern Hunde vom 1. April bis zum 31. Juli in Wäldern und an Waldrändern an der Leine geführt werden.
  • Freiburg, Neuenburg, Schaffhausen, Genf und Waadt sehen für die Leinenpflicht eine etwas kürzere Zeitspanne vor.
  • Während vom 15. April bis zum 30. Juni Hunde in den Neuenburger und Schaffhauser Wäldern angeleint werden müssen, besteht eine solche Pflicht in Freiburg, Genf und Waadt vom 1. April bis zum 15. Juli.
  • In Schaffhausen gilt die Leinenpflicht zudem in unmittelbarer Waldnähe sowie in Waadt zusätzlich auch auf angrenzenden Wiesen in landwirtschaftlichen Flächen.
  • In Ob- und Nidwalden gilt in den Wildruhegebieten vom 1. beziehungsweise 15. Dezember bis zum 30. April eine generelle Leinenpflicht, die sich in manchen Gebieten bis in die Sommermonate erstreckt. In Nidwalden sind die Hunde in den Wildruhegebieten Lauelenegg-Nätschen, Arven-Scheligsee und Scheidegg sogar bis zum 15. Juni und im Wildruhegebiet Trübsee/Alpelen vom 1. November bis 15. Mai an der Leine zu führen. In Obwalden gilt die Leinenpflicht in den Gebieten Schlierengrat, Nüwenalpwald, Schattenberg, Rosalp/Gerlisalp/Gemsgrube, Bärengraben, Teufimatt und Ross-/Dälenboden hingegen bis zum 15. Juli.
  • Bislang noch keine generelle, sondern eine auf einzelne ausgeschilderte Gebiete beschränkte Leinenpflicht besteht in den Kantonen Uri, Wallis, Zürich.
  • In Wäldern und an Waldrändern sowie bei Dunkelheit müssen Hunde im Kanton Zürich zudem auf kurzer Distanz gehalten werden und stets abrufbar sein. In Glarus sind Hunde in den Wäldern und am Waldrand das ganze Jahr über anzuleinen, wobei Jagd- und Gebrauchshunde von dieser Regelung ausgenommen sind.

Die Kantone haben zudem die Möglichkeit, gewisse Regelungen betreffend Hundehaltung den Gemeinden zu überlassen. Es gilt daher sich bei der jeweiligen Gemeinde zusätzlich über das kommunale Recht zu informieren und örtliche Beschilderungen zu befolgen.

Gibt es Vorschriften für die Leine?

Da die Gesetze auf das Wohl der Wildtiere ausgerichtet sind, spielt die Länge oder Art der Leine keine Rolle. Auch die Verwendung einer langen Schlepp- oder Flexileine ist zulässig, solange der Hundehaltende diese festhält und den Hund damit kontrollieren kann. Auf diese Art und Weise kann den Hunden trotz Leinenpflicht ein gewisser Bewegungsfreiraum geboten werden.

Was passiert bei einem Verstoss?

Der Verstoss gegen die gesetzlich auferlegten Leinenpflichten stellt eine strafrechtliche Übertretung dar, die mit einer Busse bestraft wird – und zwar unabhängig davon, ob der Hund tatsächlich gejagt oder gewildert hat. Beisst ein Hund ein Reh oder ein anderes Tier, müssen die betreffenden Hundehaltenden ausserdem für den durch ihren Hund verursachten Wildschaden aufkommen. Haben sie fahrlässig gehandelt – beispielsweise weil ein mehrfach auffälliger, notorisch jagender Hund in wildreichen Gebieten nicht an der Leine geführt wurde –, kommt zusätzlich eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tierquälerei in Betracht.

Darf man wildernde Hunde abschiessen?

Wird ein Hund beim Jagen oder Wildern erwischt, sehen fast alle Kantone die Möglichkeit vor, dass dieser durch den Jagdvorsteher oder eine andere Person abgeschossen werden kann. So können etwa Hunde, die im Kanton Zürich wiederholt beim Wildern angetroffen werden, sofort durch Jagdpächter oder andere berechtigte Personen abgeschossen werden, sofern die Halterin oder der Halter zuvor schriftlich ermahnt wurde. Solche oder ähnliche Bestimmungen existieren auch in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Freiburg, Nidwalden, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Solothurn, Thurgau und Uri. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden, Basel-Stadt, Bern, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Wallis und Zug ist nicht einmal eine vorgängige Verwarnung des Hundehaltenden notwendig. Immerhin ist in einigen dieser Kantone zunächst ein Einfangversuch vorgeschrieben. In den Kantonen Neuenburg, Obwalden, Waadt und Tessin ist die Tötung auch bei streunenden Hunden erlaubt, sofern das Einfangen oder eine Verwarnung des Tierhaltenden nicht möglich ist.

Weshalb sollen Hunde nicht jagen?

Viele Hundehaltende verstehen nicht, weshalb es problematisch ist, wenn ihre Hunde einem Reh oder anderem Wild nachstellen – schliesslich werden die Tiere oftmals nicht verletzt und viel mehr Rehe von Jägern geschossen als von Hunden gerissen. Dabei unterschätzen sie jedoch, was für einen enormen Stress die Hetzjagd durch einen Hund für die Wildtiere bedeutet. Gerade im Frühjahr sind die Tiere nach den langen, anstrengenden Wintermonaten geschwächt. Hinzu kommen in der Brut- und Setzzeit die Jungtiere, die eine leichte Beute für jagende Hunde darstellen. Auch wenn die Hunde nicht zubeissen, kann es bei den gehetzten Tieren zu einem Herzstillstand oder einem Abort kommen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass die Wildtiere (und allenfalls auch der Hund) in einen Zaun oder auf die Strasse laufen oder dass Jungtiere von ihren Müttern getrennt werden.

Wird ein Tier tatsächlich durch einen Hund gebissen, erleidet es in der Regel einen langsamen qualvollen Tod, weil unsere Haushunde nicht an die Gurgel gehen, sondern die Tiere meist nur verletzen. Ereignet sich ein Vorfall mit einem Wildtier, sind die betreffenden Hundehaltenden daher aus tierschutzrechtlicher Sicht verpflichtet, diesen den Jagdbehörden zu melden, damit das verletzte Tier gesucht und von seinen Leiden erlöst werden kann. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, macht sich unter Umständen wegen fahrlässiger Tierquälerei strafbar. 

*Christine Künzli, Rechtsanwältin, LL.M., stv. Geschäftsleiterin Stiftung für das Tier im Recht (TIR), © Sonja Ruckstuhl

Stiftung für das Tier im Recht (TIR) – Rat von den Experten:

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Beitrag vom 27.04.2022

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