© Jessica Prinz

Ein Lied aufs Jodeln

Die 30-jährige Luzernerin Simone Felber ist Sängerin und Jodlerin. Zeitlupe.ch traf die 30-Jährige zum Gespräch über Vorurteile in der Volksmusik und das Jodeln als junge Frau.

Jessica Prinz, Multimedia-Journalistin

Text: Jessica Prinz

Simone Felber ist wohl keine gewöhnliche Volksmusikerin. Mal lässt sie feministische Parolen erklingen, mal besingt sie auf der Theaterbühne das Heimatgefühl. Kürzlich widmete sie sich für Schweizer Radio und Fernsehen SRF einem Mani Matter Lied – wie viele weitere Schweizer Künstlerinnen und Künstler dies im Zuge des 50. Todestages des Schweizer Liedermachers taten. «Neu aufgelegt» hiess die Reihe, die anlässlich des 50. Todestages des Schweizer Liedermachers erstellt wurde. Simone Felber vertonte dafür mit ihrem Trio «Simone Felbers iheimisch» zusammen mit dem Kontrabassisten Pirmin Huber und Schwyzerörgeler Dominik Flückiger.

Simone Felber, war Mani Matter schon vor der Anfrage von SRF Ihr «Ding»?
Als Kind hörte ich die CD «I han es Zündhölzli azündt» rauf und runter. Als die Grossmutter meines besten Freundes ihren sechzigsten Geburtstag feierte, gründete ich mit ihm und einem weiteren Freund eine Band und wir führten den «Alpenflug» auf. Jedes Jahr stellten unsere Eltern daraufhin ein kleines Open Air auf einem Spielplatz auf die Beine. Sie gaben sich richtig Mühe und organisierten eine Anlage, und wir spielten Mani Matter Songs nach. Kürzlich kam nach einem meiner Konzerte jemand auf mich zu und fragte mich, ob ich das war, die damals im Park «Sidi Abdel Assar» gesungen hat. Obwohl der Kontext ein ganz anderer war, habe er mich aufgrund meiner Ausstrahlung sofort wiedererkannt. Drei Wochen später rief SRF bei mir an und fragte, ob ich «Dings» covern möchte.

Und Sie sagten natürlich zu.
Ich fand es eine schwierige Aufgabe. Matters Songs sind so gut – so pur wie sie sind. Das erhöht den Druck. Was macht man damit? Bleibt man nah am Original, macht man etwas ganz Neues daraus? Ich machte mir viele Gedanken. Auch darüber, wie er sich selbst wohl weiterentwickelt hätte, wäre er nicht mit 36 schon gestorben. Wäre er weiterhin mit seiner Gitarre herumgetourt? Oder hätte er sich vielleicht verändert?

Wie ist das bei Ihnen persönlich?
Ich bewundere Leute, die ihren Sound gefunden haben. Aber ich selbst möchte immer viele Sachen ausprobieren. Wie klingt dieses und was könnte man mit jenem machen? Ich forsche gerne. Und auch wenn das klingt, als wäre ich immer auf der Suche: In vielen Projekten fühle ich mich musikalisch zu Hause. Doch es ist schön, wenn man seine musikalische Heimat stetig erweitern kann. 

Ist denn das, was Sie machen, immer noch Volksmusik?
In den 90ern bekam die neue Volksmusik ersten Aufwind. Alles, was nicht traditionell daherkommt, ist seither neue Volksmusik. Ich bin nach wie vor auf der Suche nach einem Begriff für das Genre, in dem ich mich bewege. Natürlich handelt es sich um neue Volksmusik. Es wurzelt darin, ich benutze auch deren Techniken. Aber es wäre schön, einen Begriff dafür zu haben, der die Vielschichtigkeit zeigt ohne zu schubladisieren. Der Mensch lechzt aber nach Labels und Kategorien. Alles, was man in Schubladen stecken kann, ist super. Und wir Schweizer:innen sind besonders gut darin.

Mit «famm» und dem «Echo vom Eierstock» touren Sie durch die Schweiz und verbreiten feministische Musik. Wie passt Feminismus zur Volksmusik?
Noch vor wenigen Jahren hat man Feminismus mit kämpfenden Frauen assoziiert, die sehr «ruuch» sind. Damit identifiziere ich mich nicht und behauptete folglich immer, keine Feministin zu sein. Ich sehe mich einfach als Frau, die dafür einsteht, was sie will. Die Musik, die ich mit «famm» oder dem «Echo vom Eierstock» mache, ist mir sehr wichtig und ich stehe voll dahinter.

Worin geht es in dieser Musik?
Es gibt ein Lied von uns, in dem wir Facts aufzählen, wie Carearbeit in der Schweiz verteilt ist und zeigt, dass nach wie vor über die Hälfte der Carearbeit von Frauen übernommen wird. Das ist nicht meine Meinung, sondern eine Tatsache. Auch im neuen Song «Jodelfäscht», das im Zuge unseres Theaterprojektes «äinigermasse dehäi» entstand, drückt der Feminismus durch. Ich wünschte mir von Béla Rothenbühler, der die Texte für uns verfasste, ein Stück, in dem die konservativen Werte, die in Jodelliedern häufig vermittelt werden, thematisiert werden. Wir verwandeln die Übergriffigkeit, die in den Liedern oft vorkommt von «Meitschi, bis lieb und Meitschi, bis luschtig» in «Sing das was bruchsch und sing das was wotsch». Das Stück ist so fast zur Parodie geworden. Es liegt nahe bei der herkömmlichen traditionellen Jodelmusik, aber der Text ist ganz anders. Es ist mir wichtig, in meiner Musik Themen zu besingen, die ich als ungerecht empfinde. Ich werde deswegen oft zur Quotenfeministin in der Volksmusik – das möchte ich nicht unbedingt. Auch wenn sich das Bild des Feminismus glücklicherweise seit ein paar Jahren im Wandel befindet.

Wird die Volksmusik also, wie der Feminismus auch, bald cool?
Ich finde sie bereits cool. Es geht doch bei allem immer um Authentizität. Wenn man authentisch für etwas einsteht, wird es cool, egal was andere darüber denken. So verhält es sich auch hierbei. Wer sich in der Volksmusik bewegt, egal ob der traditionellen oder modernen, und dies mit Herzblut tut, trägt dazu bei, dass sie weiterlebt – und sich entwickelt. 

Welche Vorurteile gegenüber der Volksmusik würden Sie gerne auslöschen?
Dass sie politisch von Rechts geprägt und konservativ ist. Ich finde, Musik soll nicht automatisch mit einer politischen Haltung assoziiert werden, auch wenn sie durchaus politisch sein kann. Sobald ich meine Tracht anziehe, steckt man mich ins konservative Schublädli – zusammen mit einem Alphorn und ein paar Edelweiss. Ich fände es schön, wenn man Musik einfach als Musik stehen lassen könnte ohne das ganze Brauchtum, das mitschwingt und ohne den konservativen Touch.

Beim Projekt über Mani Matter wird 50 Jahre zurückgeschaut. Wohin soll die Reise Ihrer Meinung nach in den nächsten 50 Jahren führen?
Für die Musik wünsche ich mir, dass sie so vielfältig bleibt, so wie jetzt. Dass jede und jeder ihren Platz darin findet. Ganz allgemein würde ich mir wünschen, dass in allen Altersschichten Offenheit für Neues vorhanden wäre. Dass man nicht gleich «pfudderet», wenn einem etwas nicht gefällt, sondern es einfach stehen lässt.

© Jessica Prinz

Die Luzernerin Simone Felber (30) ist Sängerin und Jodlerin und studierte an der Hochschule Luzern Musik. Sie widmet sich mit Leidenschaft dem Naturjodeln und den Urklängen. Sie ist in verschiedenen Formationen wie dem a cappella Quartett «famm», ihrem Trio «Simone Felbers iheimisch» oder im Duo «hedi drescht» mit dem Pianisten Lukas Gernet im In- und Ausland zu hören. Weitere Infos: simonefelber.ch

Beitrag vom 04.02.2023

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