© Giants Software

«Es gibt nichts Vergleichbares»

Der «Landwirtschafts-Simulator» ist das erfolgreichste Entertainment-Produkt der Schweiz. Kürzlich ist die neuste Version des Games erschienen.

Portrait von Marc Bodmer
Marc Bodmer,
Zeitlupe-Redaktor
© Jessica Prinz

Selbst Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands, kennt den «Landwirtschafts-Simulator» nicht. Damit ist er nicht allein. Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue. Wenn ich vom Game «Landwirtschafts-Simulator» spreche, blicken mir ungläubige Augen entgegen und meist folgt ein leicht süffisantes Lächeln mit dem Kommentar: «Was? So etwas gibt es?»

Ja, den LS gibt es und zwar nicht zu knapp. Über 25 Millionen Kopien für PC und Konsole wurden bis dato verkauft. Hinzu kommen mehr als 145 Millionen Downloads auf mobilen Plattformen. Kurz: Der Landwirtschafts-Simulator ist der erfolgreichste Entertainment-Export der Schweiz aller Zeiten und dürfte es wohl auch für eine Weile bleiben. Denn: «Der Landwirtschafts-Simulator 22 ist sehr gut gestartet. Wir rechnen mit über 2 Millionen verkauften Exemplaren bis Ende 2021», sagt Thomas Frey, Creative Director und Teilhaber von Giants Software, dem Studio hinter Bestseller.

Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands, zu Gast bei Guido Berger von SRF Digital.


Der Landwirtschafts-Simulator ist die grösste Erfolgsgeschichte der Schweizer Game-Industrie und das seit 13 Jahren. «Ursprünglich wollten die beiden Gründer von Giants Software, Stefan Geiger und Christian Ammann und ich, ein ‹Wilhelm Tell›-Spiel entwickeln», erinnert sich Frey an die Anfangszeiten. Doch nach gut drei Jahren kam es nicht zum Apfelschuss. Dafür bildete die dafür programmierte Software die Grundlage für den ersten Landwirtschafts-Simulator, der 2008 veröffentlicht wurde. «Noch bevor es so weit war, hatten wir online ein Forum aufgeschaltet, in dem sich 30’000 Personen austauschten», sagt Frey. Das stimmte den damaligen Start-up zuversichtlich. Heute loggen sich monatlich zwei Millionen Anhänger aus über 165 Ländern auf der Firmen-Website ein. Die Simulation ist in 23 Sprachen erhältlich, darunter japanisch, chinesisch und russisch. «Die wachsende Beliebtheit in Russland hat leider auch Schattenseiten», erklärt Thomas Frey. «Mit dem Erfolg kommt auch die Piraterie

Trauben und Oliven ernten

Doch nicht nur die Verkaufszahlen legen zu, auch der LS wird immer grösser. «Wir nehmen nichts weg. Es wird verbessert. Das ist auch unser Credo», sagt das Giants-Urgestein Frey. Inzwischen arbeitet die Firma aus Schlieren bei Zürich mit über 100 Herstellern von Landwirtschafts-Maschinen zusammen. Von diesen stehen über 500 Modelle im aktuellen Spiel zur Verfügung. Wenn Thomas Frey vom Maschinenpark spricht, gerät er ins Schwärmen: «Manche Maschinen wie der Kartoffel-Vollernter Ventor 4150 von Grimme sind wie ein Transformer. Sie sind riesig und können zig Elemente ausklappen.» Diese Freude teilt offensichtlich die wachsende Gemeinschaft, von der fast ein Viertel in Nordamerika sitzt.

Die Community bringt sich auch über Foren ein und äussert ihre Wünsche. Für Giants Software ist die Interpretation der Eingaben nicht einfach. «Es gibt eine schweigende Mehrheit. Man muss aufpassen, dass man nicht ein Opfer der Trolle wird, die einfach am lautesten schreien», weiss Thomas Frey. Tauchen aber gewisse Themen immer wieder auf, so wird deren Umsetzung für die nächste Ausgabe diskutiert.

Neu bei der eben erschienenen Version ist der Anbau von Trauben und Oliven. Offiziell wird nicht Wein, sondern Traubensaft hergestellt. Das ist der Altersfreigabe geschuldet, denn der ab drei Jahren freigegebene Titel ist besonders beliebt bei Kindern, die – tataaa! – oft selbst auf einem Hof arbeiten. Thomas Frey erachtet den Landwirtschafts-Simulator als eine entspannende Alternative zu den meist sehr hektischen Games, die den Markt dominieren: «Unser Spiel braucht Geduld. Es ist gewissermassen slow gaming.»

Traubenernte im Spiel "Landwirtschaftsimulator"
© Giants Software

Landwirtschaft als E-Sport

Vor diesem Hintergrund erscheint es eigenartig, dass Giants Software Anfang 2019 in die kompetitive Welt des E-Sports einstieg. «Es war eigentlich ein Marketing-Gag», erklärt Thomas Frey. «Damals war ein richtiger Hype um E-Sports und uns bescherte die Farming Simulator League (FSL) medial enormes Feedback. Wir erhielten über eine Milliarde Rückmeldungen.» Von Seiten der Hersteller der Landwirtschafts-Maschinen hat die FSL nach wie vor Unterstützung. So stellen Firmen wie John Deere oder Krone Mannschaften, die um die Wette ackern.

Wer einen virtuellen Bauernhof pflegen will, muss sich auf ein völlig anders geartetes Spielerlebnis einstellen. Der Landwirtschafts-Simulator ist ein eigenwilliges Pflänzchen und keineswegs selbsterklärend. Man kämpft nicht im Feuerhagel ums Überleben. Die Herausforderungen liegen anderweitig: Einen Traktor mit Anhänger rückwärts neben einen Getreideernter zu stellen, in der Hoffnung, dass so das Korn ins Silo gebracht werden kann, ist auch nicht ohne. Früher gehörte es zu den Zen-mässigen Aspekten minutenlang hin und her auf einem Acker zu fahren. Heute erledigt das auf Wunsch ein K.I.-Mitarbeiter. Man sollte bloss nicht wie ich den Traktor salopp nebens Feld stellen. Das behindert die Arbeit des doch nicht so schlauen Helferchens. Um Stadtmenschen wie mir auf die Sprünge zu helfen, haben Giants Software eine Farming Simulator Academy eingeführt, dieser Nachhilfeunterricht startete zur Veröffentlichtung und wird in den nächsten Wochen weiter ausgebaut.

Wie Thomas Frey sagt: «Es gibt nichts Vergleichbares auf dem Markt. Landwirtschaft ist ein globales Thema. Es ist nicht wie American Football, das eben nur in den USA eine überragende Rolle einnimmt. In jedem Land auf der Welt wird in einer Form Landwirtschaft betrieben und jeder von uns hat eine Vorstellung davon.»

Landwirtschafts-Simulator 22, Giants Software, PS 4&5 / Xbox Series One, X&S / Switch / Stadia

Beitrag vom 28.12.2021

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